5. Rolle der Deutsch-Polnischen Gesellschaften vor und nach 1989 / Blick in die Zukunft
Die Verbindungen der DPG Hamburg haben sich nicht nur auf die offiziellen Kontakte konzentriert, sondern waren durch eine Vielzahl zwischenmenschlicher Beziehungen geprägt, die sich über die Jahre entwickelt hatten. Diese Kontakte haben die Arbeit der verantwortlichen Vorstandsmitglieder maßgeblich bestimmt und dazu beigetragen, dass Ansätze von Resignation über mangelnde Unterstützung, versuchte Einflussnahme und Ignoranz nicht zur Aufgabe führten. Unser Leitsatz lautet vielmehr: Wer die Entwicklung der Beziehungen zwischen Polen und Deutschen fördern will, braucht einen langen Atem oder mit Stanislaw Jerzy Lec Aphorismus „Wer zur Quelle will, muss gegen den Strom schwimmen“.
Während die Beziehungen der Deutsch-Polnischen Gesellschaft Hamburg in der Zeit bis zur Wende in Polen mehr durch offizielle Kontakte (wie z. B. zum Polnischen Außenministerium, zur Presseagentur Interpress, zum West-Institut Poznań, zur Front der Nationalen Einheit u.a.) bestimmt waren, entwickelte sich die Zusammenarbeit nach 1989 – wie schon dargestellt – in erster Linie in Richtung von gesellschaftlichen Vereinigungen mit gleichen Zielsetzungen.
Selbstverständlich haben die gegenwärtig leider immer noch zu spürenden Verstimmungen auch die Arbeit der DPG Hamburg beeinflusst; dies ist sowohl allgemein bei unseren Veranstaltungen, aber insbesondere bei einem Mitgliedergespräch zum Thema „Zentrum gegen Vertreibungen“ im März 2004 deutlich geworden. Viele Mitglieder empfinden die Aktivitäten aus Kreisen der Vertriebenen als unerträgliche Provokation, die das deutsch-polnische Verhältnis stark belastet. Dies gilt insbesondere für die unverantwortlichen Aktivitäten der „Preußischen Treuhand“ mit ihren Grundstücks- und Vermögensansprüchen gegenüber Polen. Die Menschen, die sich seit Jahrzehnten für die Aussöhnung und Zusammenarbeit zwischen Deutschen und Polen einsetzen, treffen diese zweifelhaften Initiativen besonders schmerzlich.
Die DPG Hamburg hat gemeinsam mit anderen Bürgerinitiativen gleicher Prägung sicherlich maßgeblich dazu beigetragen, dass das deutsch-polnische Verhältnis sich nach der Wende so positiv entwickelt hat. Sie hat in ihrer über 30jährigen Geschichte durch ihre zahlreichen Veranstaltungen vieltausendfach den Dialog zwischen den Menschen beider Länder ermöglicht, so dass gegenseitig bei vielen Menschen Vorurteile abgebaut und Vertrauen geschaffen werden konnten. Dieses Vertrauen bildet die Grundlage für ein friedvolles Miteinander in der Zukunft.
Das Interesse an Polen als Mitglied der Europäischen Union ist ohne Zweifel stärker geworden; das lässt sich nicht nur ganz allgemein feststellen, sondern wird auch bei bestimmten Aktivitäten der DPG Hamburg deutlich. So finden beispielsweise die von der Gesellschaft organisierten Studienfahrten seit mehreren Jahren wieder ein steigendes Interesse. Der Besuch unserer Informations- und Diskussionsveranstaltungen hingegen könnte – von Ausnahmen abgesehen – besser sein.
Ein Traum ist am 1. Mai 2004 Realität geworden – Polen ist Mitglied der Europäischen Union und hat den Platz gefunden, den es für sich selbst immer gesehen hat, nämlich als Land im Zentrum Europas. Mit den anderen Beitrittsländern beginnt für Polen, für Deutschland und für Europa nun eine neue Zeit:
eine Zeit,
die alle Menschen in Europa vor neue Herausforderungen stellt,
eine Zeit,
die durchaus auch noch manche Probleme mit sich bringt, die wir gemeinsam bewältigen müssen,
eine Zeit,
in der es auch noch so manchen Stolperstein zu beseitigen gilt,
wenn die deutsch-polnische Nachbarschaft sich weiter entwickeln soll,
aber auch eine Zeit,
die uns vielfältige neue Chancen im zwischenmenschlichen Miteinander, in der wirtschaftlichen,
ökologischen und kulturellen Entwicklung bietet, die wir nutzen sollten.
Eine gute Zusammenarbeit und die Pflege freundschaftlicher Beziehungen zwischen den Menschen unserer beiden Länder muss sich im täglichen Leben immer wieder aufs Neue bewähren.
Deshalb müssen wir die Arbeit unserer Gesellschaft mit ihrer vielfältigen Bandbreite von Informationsveranstaltungen über Studienfahrten bis zu verstärktem Austausch von Hamburger und polnischen Schulen und Arbeitsprogrammen für polnische Studentinnen und Studenten in Hamburg mit gleicher Intensität fortsetzen wie bisher.
Für die weitere friedliche Entwicklung auf unserem Kontinent ist es von großer Bedeutung, dass sich alle Länder Europas an dieser Entwicklung beteiligen können, wenn sie es wollen. Die jüngste Entwicklung in der Ukraine macht sehr deutlich, welche große Bedeutung die Europäische Union auch für die demokratische Entwicklung eines Landes hat, das seinen Platz in der Völkergemeinschaft offensichtlich noch sucht. Gerade wegen des starken Engagements der DPG Hamburg in der südostpolnischen Region Podkarpackie seit Ende der 70er Jahre beobachten wir diese Entwicklung mit großer Aufmerksamkeit.
Anmerkung Dem Arbeitspapier IX der „Kopernikus-Gruppe“ „Sorge um die deutsch-polnischen Beziehungen. Bedarf an Vernunft“ ist nach Auffassung der DPG Hamburg im übrigen nichts hinzuzufügen. Es macht die Fehler der Politik deutlich, nicht rechtzeitig präventiv tätig geworden zu sein, obwohl es Hinweise auf eine Polarisierung der jetzt noch zusätzlich von manchen Medien „hoch gekochten“ Probleme gegeben hat. Der verantwortungslosen Handlungsweise mancher Medien muss wesentlich entschiedener begegnet werden als bisher, auch durch Nennung der „Brandstifter“, die ein gefährliches populistisches Spiel betreiben.