Christof Leidner Bargteheide, 03. Mai 2015
Buchvorstellung : Steffen Möller „Viva Warszawa – Polen für Fortgeschrittene“
Buchvorstellungen von Künstler direkt
Anfang März 2015 erschien das neue Buch des deutschen Polen-Comedian Steffen Möller. (Wiki)
„Viva Warszawa – Polen für Fortgeschrittene“
heißt die Hommage an seine polnische „Wahl-Heimatstadt“. Anfang der Nulljahre hatte sich der heute 46jährige als polnischsprachiger Kabarettist und Seriendarsteller an der Weichsel einen Namen gemacht. Als seine Bildschirmpräsenz in Polen schwand verlegte er sich auf Auftritte vor der Polonia in Deutschland und schreibt seither immer wieder humoristische Bücher, in denen er nun den Deutschen Polen nahebringt.
Das Wort bezeichnet im Polnischen nicht nur das Nationalgericht (ein Sauerkrautgulasch), sondern steht alsMetapher für etwas Zusammengewürfeltes, also gewissermaßen ein Allerlei. „Viva
Warszawa“ ist so ein wenig . Möller wollte nicht einen einfachen Reiseführer schreiben. Als langjähriger Voll- und heutiger Teilzeiteinwohner der polnischen Hauptstadt gibt er demWarschau-
Touristen lieber echte Geheimtipps mit auf den Weg: Der Frühstücksbiomarkt von Zoliborz weckt beim Leser ebenso Forscherneugier wie versteckte Klostergärten oder die Hala Mirowska. Wo gibt es die besten Krapfen in Warschau? Wo die beste Milchbar? Und wo die angesagtesten Szene-
Cafés? Auf solche Fragen bekommt man auf den fast 290 Seiten klare Antworten.
Der Haken an der Sache ist nur leider, dass der Leser, um an diese Schätze zu gelangen, zahlreiche Anekdoten und allerlei belanglose persönliche Episoden über sich ergehen lassen muss. Was
eigentlich zur Auflockerung beitragen soll, sorgt oft dafür, dass der rote Faden reißt. So berichtet Möller von einem Warschauer Freund, der behauptet, es gäbe in Krakau eine zweite, leere
Sigismundsäule und dann zugeben muss, sich geirrt zu haben. Er schildert die Begegnung mit einer Zahlen-Esoterikerin im Zug nach Warschau und langweilt den Leser schließlich ein ganzes Kapitel
lang mit dem Bericht über eine Weichsel-Floßfahrt, der eher an einen Schüleraufsatz erinnert. Über den engeren Zusammenhang zum Gegenstand des Buches rätselt man an allen diesen Stellen.
Wer sich das sparen will, sollte erst auf Seite 124 in das Buch einsteigen. Hier beginnt der Teil über die deutsche Besatzungszeit und den polnischen Widerstand. Dieser verständlicherweise humorfreie Abschnitt des Buches ist sein bester. Man bemerkt, dass der Autor dafür mit besonderer Sorgfalt zuWerke gegangen ist. Es gelingt ihm eine recht gute und kompakte Darstellung der für die
polnische Sicht bis heute wichtigen Aspekte des 2. Weltkriegs. Einzig Erwähnung und Erklärung der Bedeutung des „Ankers“, des in Warschau oft zu sehenden Symbols des polnischen Widerstands,
habe ich vermisst. Dennoch seien die gut 50 Seiten jedem unbedarftem und polenunkundigem deutschem Touristen vor der Abreise zur Lektüre empfohlen. Manchem Fettnapf lässt sich damit
bestimmt ausweichen.
Seit 15 Jahren macht Steffen Möller im Grunde nichts anderes als auf unterhaltsame Weise seine eigene Biographie zu verkaufen – sei es als Kabarettist in Polen oder als Buchautor in Deutschland.
Das Geschäftsmodell als humoristischer Aufklärer in Sachen Polen funktioniert freilich nur solange, wie Polen in Deutschland als besonders exotisch wahrgenommen wird. Das ist ein wenig gefährlich, denn es kann bedeuten, dass gewisse Stereotype, z.B. über deutsche Polenignoranz, zunächst einmal (immer wieder) aufgebaut werden müssen, um sie anschließend abräumen zu können.
Deshalb ist es Steffen Möller zu wünschen, dass er sich irgendwann vom Kleinkünstler-Image befreien kann und dann seine Qualitäten als hervorragender Erklärer und Geschichtenerzähler noch
besser ausspielt. Denn nur der wirkliche wird mit jedem Aufwärmen bekömmlicher.
Steffen Möller, „Viva Warszawa – Polen für Fortgeschrittene“, Piper Verlag GmbH, München/Berlin 2015
ISBN 978-3-89029-459-9, 16,99 €
Warschauer Bigos