wir erhielten viele bekümmerte Anfragen wegen der Absage des Advent-Konzertes und unserer adventlichen Feier. Wie gerne hätten Viele gesungen, der Vorlesung gelauscht und nett miteinander gesessen! Es hat nicht sein sollen. Aber Alles werden wir im nächsten Jahr nachholen!
Als letzte Mitteilungen in diesem Jahr erhalten Sie nunmehr einige Gedanken über bemerkenswerte Jubiläen in diesem schwierigen Jahr.
Das Jahr 2020 ist sehr wichtig und markant für Polen und Deutschland gewesen, da in unserer jüngeren gemeinsamen Geschichte einige wichtige Ereignisse wegweisend für die deutschpolnischen Beziehungen waren und es daher wert sind, noch einmal benannt zu werden. Unter normalen Umständen hätten wir mit entsprechenden Veranstaltungen an diese Ereignisse erinnert.
Leider war uns dies aus bekannten Gründen nicht möglich. Alle Veranstaltungen mussten abgesagt werden, Planungen wurden eingestellt.
Stattdessen wollen wir gewissermaßen als Ersatz an einige wichtige Ereignisse erinnern:
Vor 50 Jahren:
Am 7. Dezember 1970 ereignete sich ein denkwürdiges und bis heute nachwirkendes Ereignis:
Willy Brandt öffnet die politische Tür zur Verständigung mit Polen. Kurz vor der Unterzeichnung des Warschauer Vertrages, im Mittelpunkt stand die Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze als Polens Westgrenze, besuchte der deutsche Bundeskanzler Willy Brandt mit Außenminister Walter Scheel und Kanzlerberater Egon Bahr das Denkmal des Aufstandes im Warschauer Ghetto. Dort, wo bis heute der Ermordung von Millionen Juden gedacht wird, legte er einen Kranz nieder und kniete minutenlang demütig nieder, womit niemand gerechnet hatte.
An dieses Ereignis erinnert eine Gedenktafel am Willy Brandt-Platz in der Nähe des Denkmals zum Warschauer Ghettoaufstand. Es war eine großartige Geste, mit der Brandt, der ja selbst im Widerstand gegen das Naziregime stand, im Namen des deutschen Volkes um Vergebung bat.
Vielen, die heute in der DPG Hamburg mitarbeiten, war seine Ostpolitik ein wichtiges politisches Signal. Damals gab es aber nicht nur Zustimmung, im Deutschen Bundestag bekämpfte die CDU seine Politik des Verzichts und diffamierte Brandt teilweise als Vaterlandsverräter.
Auf den Straßen riefen Demonstranten „Hängt die Verräter“.
International jedoch bekamen Willy Brandt und Deutschland hohe Anerkennung für die „Ostpolitik“. 1971 wurde ihm der Friedensnobelpreis verliehen. An dieses Ereignis nach 50 Jahren zu erinnern, ist für uns und auch für unsere polnischen Freundinnen und Freunde sehr wichtig. Brandts Ostpolitik hat doch die Tür zur Verständigung mit Polen geöffnet und die Voraussetzungen für die Entstehung der zahlreichen Deutsch-Polnischen Gesellschaften in Deutschland – die DPG Hamburg entstand am 5. Juli 1972 – sowie vielen Städtepartnerschaften geschaffen, die zur Aussöhnung, Verständigung und Zusammenarbeit beitrugen und immer noch beitragen.
Hierzu eine persönliche Ergänzung unseres Ehrenvorsitzenden Gerd Hoffmann, der an diesem 7. Dezember 1970 an einer deutsch-polnischen Tagung an der Evangelischen Akademie Loccum teilnahm:
„Am Abend dieses heute denkwürdigenden Tages saßen die TeilnehmerInnen der Tagung abends noch bei einem Glas Wein am Kamin zusammen, als der allseits geschätzte polnische Philosoph Leszek Kołakowski, der als Teilnehmer aus dem Exil in London angereist war, die Runde mit einem hintergründigen Bonmot überraschte. Er kommentierte die Unterzeichnung des Warschauer Vertrages in Erinnerung an den deutschen Überfall in Polen am 1. September 1939 mit den für mich unvergesslichen Worten: „Ab 5.55 h wird „zurückgeküsst“…!
Vor 40 Jahren:
Am 14. August 1980 wird die Kranführerin Anna Walentynowicz aus der Lenin-Werft in Danzig entlassen, 1980 steckt Polen in einer Wirtschaftskrise. Die Lebensbedingungen vieler Polen werden immer schlechter. Als die Regierung im Sommer auch noch drastische Preissteigerungen für Lebensmittel ankündigt, gehen die Arbeiter auf die Straße. Am 15. August 1980 schließen sich die Arbeiter aus Danzig an und besetzen ihre Werft. Anführer wird der Elektriker Lech Walesa. Nach 14 Tagen Streik in der Werft unterzeichnen Vize-Premier Mieczyslaw Jagielski und Lech Wałesa am 31. August 1980 das „Danziger Abkommen“. Dadurch wird erstmals in
einem sozialistischen Land eine unabhängige Gewerkschaft zugelassen. Die Solidarność darf streiken und bekommt Zugang zu den Massenmedien. In den folgenden Jahren treten fast 10 Millionen Polen der unabhängigen Gewerkschaft bei, mehr als die Hälfte aller polnischen Arbeitnehmer.
Das Abkommen gilt in der Retrospektive als Anfang vom Ende des „real existierenden Sozialismus“ in den ehemaligen Warschauer Pakt-Staaten.
Solidarność – eine große Bewegung mit wichtigen Folgen. Es war ein weiterer und steiniger Weg bis zur Bildung des „Runden Tisches“ vom 6.2. bis 5.4.1989. Kriegsrecht (13. Dezember 1981), Inhaftierungen und Verbote konnten diese Bewegung nicht mehr aufhalten. Der „Runde Tisch“ trotzte dem kommunistischen Regime die erste, teilweise freie, Wahl ab, was dann zur Wende nicht nur in Polen führte. Die Deutschen haben dem polnischen Volk und der Solidarność viel zu verdanken. Ihr couragierter Kampf strahlte in die DDR und in die anderen Länder des Ostblocks aus und ermunterte die Menschen, aktiv zu werden und für Veränderungen einzutreten.
Die DPG Hamburg würdigt daher dieses 40-jährige Jubiläum und ist dankbar, dass heute die Grenzen offen sind und wir gemeinsam an einem neuen, sich weiter entwickelnden Europa arbeiten können.
Vor 40 Jahren:
Im Jahr 1980 wurde das Deutsche Polen-Institut gegründet. Als Karl Dedecius die Tür zum Haus Olbrich in Darmstadt öffnete, einer Jugendstilvilla auf der Darmstädter Mathildenhöhe, um das neue Domizil in Besitz zu nehmen, begann eine neue Zeit in den deutsch-polnischen Beziehungen: Zum ersten Mal bewies eine deutsche Regierung durch die auf Dauer angelegte Gründung dieses Instituts, dass es ihr mit der Annäherung mit Polen ernst ist. Die Vermittlungsarbeit, die Dedecius
und sein Team seit 1980 leisteten, hat einen gleichermaßen symbolischen wie faktischen Wert und brachte beide Gesellschaften Schritt um Schritt einander näher.
Noch eine weitere Ergänzung hierzu aus der Erinnerung von Gerd Hoffmann; Unser langjähriger Vorsitzender Dr. Hanno Jochimsen, der als Teilnehmer am 2. Deutsch-
Polnischen Forum 1980 in Darmstadt teilnahm, berichtete dem Vorstand unserer Gesellschaft damals von der Gründung des DPI, die zum gleichen Zeitpunkt wie das Forum stattfand. Zur Gründungsversammlung waren auch die polnischen TeilnehmerInnen eingeladen worden. Allerdings wurde diese Einladung von polnischer Seite nicht angenommen, weil man wohl vermutete, dass das DPI als Institution wohl eher Ziele verfolgen würde, die gegen die Volksrepublik Polen gerichtet sein würden.
Vor 30 Jahren:
Am 14. November 1990 unterzeichneten der deutsche Außenminister Hans-Dietrich Genscher und sein polnischer Amtskollege Krzysztof Skubiszewski in Warschau den deutsch-polnischen Grenzvertrag. Dieser völkerrechtlich gewichtige Vertrag legte die bestehende Grenze zwischen beiden Staaten – die Oder-Neiße-Linie – als „unverletzlich“ und endgültig fest. Polen und das gerade wiedervereinte Deutschland verpflichteten sich gegenseitig „zur uneingeschränkten Achtung ihrer Souveränität und territorialen Integrität“.
Der Grenzvertrag legte das Fundament für eine deutsch-polnische Nachbarschaft und Partnerschaft.
Am 17. Juni 1991 unterzeichneten beide Staaten zudem den „Vertrag über gute Nachbarschaft und freundschaftliche Zusammenarbeit“, der neben dem Grenzvertrag bis heute die wichtigste Grundlage für die Zusammenarbeit bildet. Die deutsch-polnische Zusammenarbeit findet ihren Ausdruck unter anderem in bilateralen Konsultationen der Regierungen sowie in den trilateralen Treffen im Rahmen des Weimarer Dreiecks – einem Forum für Konsultationen zwischen Deutschland, Polen und Frankreich.
Einige Hinweise auf aktuelle, digitale Veranstaltungen:
1. Die Studie „Suchen was uns verbindet. Entwicklung und Chancen und Herausforderungen deutsch-polnischer Städtepartnerschaften“, die das Deutsche Polen-Institut, Darmstadt und das Instytut Spraw Publicznych Warszawa gemeinsam herausgegeben haben. Die Publikation steht als pdf-Datei auf Deutsch unter https://bit.ly/staedteDE_PL und auf Polnisch unter https://bit.ly/miastaPL_DE zur Verfügung. Ferner ist die Online-Konferenz zur Vorstellung der Publikation unter https://bit.ly/staedte1210 verfügbar.
2. Die Ausstellung des Deutschen Polen-Instituts „Vom Vertrag zum Vertragen“ ist ab 30.11.2020 unter www.vom-vertrag-zum-vertragen.de zu besichtigen. In der Ausstellung werden die beiden Zeitspannen nachgezeichnet: 50 Jahre seit Kniefall Willy Brandt und Verträgen und 40 Jahre seit der Gründung des DPI bedeuten ein halbes Jahrhundert für den deutschpolnischen Dialog. Sozusagen »vom Vertrag zum Vertragen«.
Seit vielen Jahren arbeitet die DPG HH mit dem DPI zusammen, von dem wir immer wieder wichtige Impulse erhalten.
3. Am Samstag, 05.12.2020 um 19.20 Uhr wird ein Film von dem polnischen Regisseur Andrzej Klamt „Der Kniefall von Warszawa – Die Macht der Erinnerung“ eine Produktion von 3sat/ZDF auf 3sat gezeigt. Ab den 4.12. ist der Film auch in der 3ast Mediathek abrufbar..
4. Am Montag, 07. Dezember 2020, 11.00 Uhr wird eine Diskussion zum Thema: „Willy Brandts Kniefall und der Warschauer Vertrag. Meilensteine in den deutsch-polnischen Beziehungen“
übertragen und kann direkt verfolgt werden. Organisatoren: Amicus Europae-Stiftung, Bundeskanzler-Willy-Brandt-Stiftung, Friedrich-Ebert-Stiftung, Deutsches Polen-Institut. Weitere Informationen erhielten Sie bereits am 01.12. 2020 per E-Mail von uns.
5. Ein Hinweis auf eine TV- Sendung hier im Norden:
Am Samstag, 12.12.2020 um 20.15 Uhr: „Mit dem Zug durch den Norden Polens“ auf NDR
Wir wünschen Ihnen schöne, ruhige, gesunde Adventstage mit viel Licht und Kerzenduft.
Möge das neue Jahr dem Virus endlich den Garaus machen und uns die Planungen für Veranstaltungen und Treffen für die Jahre 2021 und 2022 ermöglichen.
Mit herzlichen Grüßen
Für den Vorstand
Ihre Viola Krizak
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