Deutsch – Polnische Gesellschaft Hamburg 1972 – 2012 Berichte und Erinnerungen aus vier Jahrzehnten Arbeit einer deutsch-polnischen Bürgerinitiative Viola Krizak (Hrsg.) Deutsch-Polnische Gesellschaft Hamburg 1972-2012 Berichte und Erinnerungen aus vier Jahrzehnten Arbeit einer deutsch-polnischen Bürgerinitiative © Deutsch -Polnische Gesellschaft Hamburg, 2012 © Titelblattgestaltung: Viola Krizak Projektleitung und Redaktion: Dr. Viola Krizak Lektoren: Gerd Hoffmann, Wolfgang Madlung Gestaltung und Herstellung: Hans-Rainer Krizak Druck: Studio Polgraficzne M.Color, ul. Ogrodowa 62, 91-071 Łódź Freie und Hansestadt Hamburg Erster Bürgermeister Als Schirmherr ist es mir eine besondere Freude, der Deutsch-Polnischen Gesellschaft Hamburg zum vierzigjährigen Bestehen gratulieren zu dürfen. Die Beziehungen zwischen Hamburg und unseren Freunden und Partnern in Polen sind ebenso lang wie wechselvoll. Die Hansestadt hat dieser Tatsache nicht zuletzt in dem für Deutsche und Polen so wichtigen Gedenkjahr 2009 Rechnung getragen: Damals haben wir gemeinsam an den Beginn des Zweiten Weltkrieges gedacht, aber auch an den Fall der Mauer und den Systemwechsel im ehemaligen Ostblock, zu dem „Solidarność“ als erste freie Gewerkschaft in Polen mit ihrer friedlichen Revolution in erheblichem Maße beigetragen hatte. Wenn man zum 40. Geburtstag der Deutsch-Polnischen Gesellschaft in Hamburg eine Bilanz ziehen möchte, so kann man hervorheben, dass es eine Vielzahl von Kooperationen und Begegnungen zwischen Hamburg und Polen gibt. Im geographischen Mittelpunkt stehen dabei die polnischen Regionen an der Ostseeküste. Eine intensive Zusammenarbeit erstreckt sich auf Handwerk, Wissenschaft, Metropolenkooperation und Kultur. Sie trägt der besonderen Bedeutung Polens als größten neuem und aufgrund seiner Nähe für Hamburg auch wichtigem Mitglied in der EU Rechnung. Lassen Sie mich an dieser Stelle nur einige ausgewählte Beispiele erwähnen. Neben den sehr guten bilateralen Beziehungen arbeiten wir mit unseren polnischen Freunden und Partnern sehr eng in den Gremien der Ostseekooperation und in einigen EU-Projekten zusammen. Drei Bereiche seien beispielhaft hervorgehoben: TransBaltic liefert aus regionaler Entwicklungsperspektive wichtige Impulse für ein integriertes Verkehrssystem für die Ostseeregion. Clean Baltic Sea Shipping soll einen Beitrag leisten zur Verringerung der Eutrophierung der Ostsee sowie zur Reduzierung von Luft- und Wasserverschmutzungen durch Schiffe durch die Erarbeitung einer transnationalen Strategie zum sauberen Schiffsverkehr. COOL Bricks soll die Energieeffizienz von historischen Backsteingebäuden erhöhen, bei Gewährleistung technisch, administrativ und historisch angemessener Standards des Denkmalschutzes. Wenn diese große Vielfalt von Kooperationen und Formen der Begegnung uns längst selbstverständlich erscheint, dann liegt das auch an den wichtigen Beiträgen zur interkulturellen Verständigung der Deutsch-Polnischen Gesellschaft. Dafür möchte ich Ihnen im Namen des Senats der Freien und Hansestadt Hamburg unsere Hochachtung, unsere Anerkennung und unseren Dank aussprechen. In diesem Sinne: Herzlichen Glückwunsch zum 40. Geburtstag! Erster Bürgermeister Olaf Scholz Grußwort für die Festschrift anlässlich des 40. Jubiläums der Deutsch-Polnischen Gesellschaft Hamburg e.V. Helmut Schmidt im Juni 2012 Mit Verständnis und Vertrauen Friede in Europa kann nur bestehen, wenn es Deutschland in der Mitte des Kontinents gelingt, im gutnachbarlichen Verhältnis mit seinen Nachbarn zu leben. Polen ist gemeinsam mit Frankreich der wichtigste Nachbar Deutschlands. Deutsche und Polen verbindet eine schicksalhafte und über weite Strecken tragische Nachbarschaft. Ein gutes Verhältnis beider Nationen muss sich daher stets gegen die Erinnerung gegenseitig zugefügten Leids und tief im kollektiven Gedächtnis verhafteter Ressentiments und Ängste erwehren. Seine wechselvolle Geschichte gibt Polen genug Gründe, seinen Nachbarn, und insbesondere seinen deutschen Nachbarn, zu misstrauen. Die drei gewaltsamen Teilungen bis Ende des 18. Jahrhunderts durch Preußen, Österreich und Russland wirken ebenso nach wie die völlige Beseitigung der polnischen Souveränität fast das ganz 19. Jahrhundert hindurch. Weit stärker noch haften im polnischen Gedächtnis die vierte gewaltsame Teilung durch Hitler und Stalin 1939 und die anschließende deutsche Besatzung. In diese Zeit fällt auch die Errichtung der Todesfabrik Auschwitz auf polnischen Boden durch Hitler. Als Folge von Hitlers Weltkrieg kam es anschließend zur gewaltsamen Verschiebung der östlichen und westlichen Grenzen Polens durch Stalin und zur Vertreibung von Millionen polnischer und deutscher Menschen in westliche Richtung. Mein Freund Herbert Wehner sagte 1977 bei einem gemeinsamen Besuch in Ausschwitz „ Man muss die Polen schon allein deshalb lieben, weil sie mehr gelitten haben als alle anderen“. Ich habe Wehners Wort nie vergessen. Es ist wahr. Und es gewinnt zusätzlich an Gewicht, wenn man bis in 18. Jahrhundert zurückdenkt. Sein Wort ist gleichzeitig eine Mahnung, dass wir Deutschen von uns selbst Verständnis für die besondere Situation der Polen verlangen müssen. Ich habe Polen erstmals als Bundestagsabgeordneter 1966 auf einer privaten Reise besucht. Auf dem Weg nach Moskau konnte ich mir damals mit meiner Familie während einer langen Autofahrt quer durch Polen einen eigenen Eindruck verschaffen. Die Menschen, Landschaften und Städte Polens haben mich damals nachhaltig bewegt. Fast vierzig Jahre sind seit meiner ersten Reise durch Polen vergangen. Polen und Deutschen ist es in diesen vierzig Jahren gelungen, ein weites Stück aufeinander zu zugehen. 1970 wurde mit dem deutsch-polnischen Vertrag ein erster wichtiger Grundstein für die Aussöhnung zwischen Polen und Deutschen gelegt. Ohne die Bereitschaft der damaligen polnischen Führung, ihrerseits auf die deutsche Seite zuzugehen, wäre der historische Durchbruch in Helsinki nicht möglich gewesen. Ich werde jenes Gespräch mit Edward Gierek in Helsinki nicht vergessen, dass damals den entscheidenden Durchbruch in den Verhandlungen brachte. 1974/75 habe ich mich mit Nachdruck für das Zustandekommen der KSZE-Schlussakte eingesetzt. Mit der Schlussakte von Helsinki wurde nicht die Oder-Neiße-Grenze festgeschrieben, sondern die im Korb III postulierten Menschenrechte haben die Arbeit Lech Walesas und der demokratischen Opposition Solidarnosc in Polen ebenso hilfreich unterstützt wie die Arbeit der anderen Freiheitsbewegungen im damaligen Ostblock. Die Geschichte Polens erklärt das Streben der polnischen Nation nach Souveränität und Selbstbestimmung. Nach dem EU-Beitritt Polens im Mai 2004 ist es erkennbar nicht allen polnischen Politikern leicht gefallen, die damit verbundene teilweise Aufgabe der eigenen Souveränität zu akzeptieren. Heute ist Polen nicht nur eine der wachstumsstärksten europäischen Volkswirtschaften, sondern es nimmt auch erkennbar seine politische Verantwortung in der EU wahr. Während der polnischen Ratspräsidentschaft in der zweiten Jahreshälfte 2011 hat Polen eine aktive Vermittlerrolle zwischen Mitgliedern und Nicht-Mitgliedern der Eurozone eingenommen. Die gegenwärtige Krise der Institutionen der Europäischen Union könnte ein unvoreingenommenes Miteinander der Menschen in Europa gefährden, sie könnte nationale Egoismen und Eitelkeiten aufleben lassen. Auf die friedensstiftende Wirkung der Europäischen Union allein können wir uns keinesfalls verlassen. Polen bleibt mit Frankreich unser wichtigster Partner in Europa. Für eine vertrauensvolle Partnerschaft ist gegenseitiges Verständnis unverzichtbar. Ohne ausreichende historische und kulturelle Sensibilität fehlt die Basis für einen wirklichen Dialog und es bleibt allenfalls bei guten Absichten allein. Leider wissen die Deutschen im Allgemeinen immer noch zu wenig von der Geschichte und Kultur Polens. Zwar kennen wir Frédéric Chopin und vielleicht haben wir „Quo Vadis“ von Henryk Sienkiewcz gelesen. Aber wer weiß in Deutschland, dass ein polnischer König schon im Jahr 966 den christlichen polnischen Staat begründete und der Name Polonia älter ist als Deutschland? Wer weiß in Deutschland, dass es ein Pole war, der Wien 1683 vor den Türken rettete? Oder welcher Deutsche ist sich des ökonomischen Erfolgs und der kulturellen Dynamik des heutigen Polens bewusst? Die Deutsch-Polnische Gesellschaft Hamburg e.V. setzt sich seit 40 Jahren dafür ein, dass sich Polen und Deutsche besser kennen lernen. Seit ihrem Aufruf „Friede mit Polen“ im Herbst 1972 hat sie unzählige persönliche Begegnungen ermöglicht und dazu beigetragen, gegenseitige Vorurteile durch Verständnis und Vertrauen zu ersetzen. Die Deutsch-Polnische Gesellschaft Hamburg e.V. hat damit die Versöhnung und Freundschaft zwischen Deutschland und Polen gefördert und einen Beitrag für eine friedliche Zukunft Europas geleistet. Ich verbinde meine Glückwünsche zum 40. Jubiläum der Deutsch-Polnischen Gesellschaft Hamburg e.V. mit der Hoffnung und Erwartung, dass sie ihre wertvolle Arbeit in den nächsten Jahren erfolgreich fortsetzen kann. Die Deutsch-Polnische Gesellschaft Hamburg e.V. verdient unsere Unterstützung! Geleitwort des Botschafters der Republik Polen in der Bundesrepublik Deutschland Dr. Marek Prawda Am 5. Juli 2012 beging die DPG Hamburg ihr 40-jähriges Jubiläum. Mit der Gründung der Gesellschaft fassten Abgeordnete der SPD-Fraktion der Hamburgischen Bürgerschaft und ein kleiner Kreis von Hamburgerinnen und Hamburgern, inspiriert von dem historischen Besuch von Bundeskanzler Willy Brandt in Warschau 1970 einen sehr wichtigen Beschluss. Doch ihr „Abenteuer“ mit Polen hatte für einige der späteren Initiatoren und Mitglieder der Gesellschaft bereits weit früher begonnen. Mitglieder der Deutschen Beamtenbund-Jugend Hamburg, die zu den Gründern der DPG gehörten, besuchten Polen erstmals schon im Jahr 1965. Seit 1968 bis Mitte der siebziger Jahre fanden weitere Reisen junger Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Hamburger Verwaltung, aber auch der Bundesverwaltung wie Zoll, Post und Bahn nach Polen statt. Die Gesellschaft, deren unmittelbare Gründer die Journalistin und Schriftstellerin Annaliese Wulf und der Beamte und ehrenamtliche Geschäftsführer der DBB-Jugend Hamburg Gerd Hoffmann waren, begann ihre Tätigkeit mit einem starken Akzent in Gestalt des Aufrufs „Friede mit Polen“ an die Hamburger Bevölkerung. Dieser Aufruf wurde von namhaften Persönlichkeiten des hamburgischen öffentlichen Lebens unterzeichnet, darunter dem Präsidenten der Hamburgischen Bürgerschaft Herbert Dau und mehreren Senatoren des Hamburger Senats. Beachtung verdient die Feststellung des Aufrufs: ,,Der Frieden in Europa wird schließlich nur Wirklichkeit werden, wenn er mit Polen gewonnen wird“. Am Beispiel der Geschichte der DPG kann man auch die Geschichte der deutsch-polnischen Beziehungen kennenlernen. Doch es wäre ein großer Fehler, die komplexe Geschichte der Beziehungen zwischen Deutschland und Polen allein auf ihre politische Dimension zu reduzieren. Die Rolle des gesellschaftlichen Faktors ist diesbezüglich nicht zu unterschätzen, und dabei hat die Deutsch-Polnische Gesellschaft in Hamburg erheblich mitgewirkt. Tatkräftig hat sie am nicht ganz leichten Prozess der Versöhnung zwischen unseren Staaten mitgewirkt. Beharrlich und effektiv verwirklichte sie ihr Ziel durch die Förderung der Verständigung zwischen den Gesellschaften beider Länder. Zu Recht bemerkten die Gründer der DPG schon gleich zu Beginn, dass diesem Ziel am besten durch die Entwicklung zwischenmenschlicher Kontakte zwischen Deutschen und Polen gedient ist und konzentrierten darauf ihre Tätigkeit. Beachtung verdient, dass die DPG – unabhängig von den veränderlichen Stimmungen und politischen Beziehungen zwischen den beiden unterschiedlichen Gesellschaftsordnungen – eine Reihe von Initiativen auf diesem Gebiet unternommen hat. Nach 1989 ist der politische und gesellschaftliche Wandel in Europa sehr schnell eingetreten. Der Niedergang des kommunistischen Systems in Ost- und Mitteleuropa und die Wiedervereinigung Deutschlands haben einen breiten Raum für die deutsch-polnische Zusammenarbeit eröffnet, auch im europäischen Kontext. Damit verbunden waren aber auch viele Herausforderungen. Die Deutsch-Polnische Gesellschaft Hamburg hat die neue Situation rechtzeitig als eine große Chance erkannt und genutzt. Vor 20. Jahren schien es noch nicht so selbstverständlich zu sein, dass ein unabhängiges Polen und ein wiedervereintes Deutschland zu wichtigen Partnern im vereinten Europa werden. Genau das ist aber Wirklichkeit geworden. Heute sind die Beziehungen zwischen unseren Ländern in eine neue Phase eingetreten, die man als gereifte Partnerschaft bezeichnen kann, in der eine Schlüsselrolle die europäische Dimension unseres gemeinsamen Dialogs spielt. Eines Dialogs, in dem Fragen danach, wie wir den europäischen Raum gemeinsam gestalten können, von zentraler Bedeutung sind. Ohne gesellschaftliche Partner wäre dies nicht möglich gewesen. Hoffentlich wird die DPG Hamburg noch viele vergleichbare Jubiläen in Zukunft begehen, was ich Ihnen von Herzen wünsche. Grußwort des Generalkonsuls der Republik Polen in Hamburg Andrzej Osiak Sehr geehrte Damen und Herren, Seit 40 Jahren existiert in Hamburg die Deutsch-Polnische Gesellschaft. Die Gründung dieser im Jahre 1972 gehörte zweifellos zu den Meilensteinen der polnisch-deutschen Zusammenarbeit in Hamburg. Deswegen freue ich mich sehr über die Möglichkeit allen Mitgliedern der Deutsch-Polnischen Gesellschaft zum Jubiläum zu gratulieren. Infolge der politischen Entwicklungen am Anfang der siebziger Jahre wurde es möglich, dass neue Wege der polnisch-deutschen Verständigung und Kontakte geschaffen werden konnten. Die Ostpolitik des Bundeskanzlers Willy Brandt hat dazu beigetragen, dass der Prozess der polnisch-deutschen Versöhnung initiiert wurde. Obwohl Polen damals kein souveräner Staat war, konnte man auch in Warschau die positiven Reaktionen auf die Entspannungspolitik vernehmen. Früher gab es natürlich einige wichtige Initiativen, die auf die Annäherung zwischen Polen und Deutschen gezielt haben – die bedeutendste war der Hirtenbrief der polnischen katholischen Bischöfe an ihre deutschen Amtsbrüder. Erst in den 70. Jahren jedoch würde die Annäherung zwischen den beiden Völkern in Gang kommen. Eine enorme Rolle spielten dabei die gesellschaftlichen Vereinigungen und die Hamburgische Deutsch-Polnische Gesellschaft gehört zu den ältesten in Deutschland. Schon seit Beginn haben ihre Mitglieder ehrgeizig und zielbewusst dem Pfad der polnisch-deutschen Annäherung gefolgt. In diesem Kontext muss man an den Aufruf „Friede in Polen“ erinnern, mit dem sich die Gesellschaft im ersten Jahr ihrer Tätigkeit an die Hamburger Bevölkerung gewandt hat. Die Kontakte mit Polen, die die Deutsch-Polnische Gesellschaft seit der Gründung entwickelte, sind nicht zu unterschätzen. Ich möchte auch die Rolle der Reisen nach Polen erwähnen, die die Gesellschaft organisiert hat. Heutzutage scheint es selbstverständlich zu sein, dass wir ohne große Schwierigkeiten schnell aus Polen nach Deutschland und umgekehrt verreisen können. Aber vor 40 Jahren war es nicht so einfach. Der eiserne Vorhang und dazu noch die DDR hatten beide Gesellschaften effizient getrennt und eine Reise nach Polen stellte damals viele Schwierigkeiten dar. Und ohne persönliche Begegnung kann keine Rede von der Versöhnung und Verständigungen sein. Durch diese Initiativen haben die Mitglieder der Deutsch-Polnischen Gesellschaft zur Überwindung der Vorurteile zwischen Polen und Deutschen deutlich beigetragen. Es ist wichtig, dass die Zusammenarbeit zwischen Polen und Deutschen nicht nur im politischen und wirtschaftlichen Bereich, was natürlich von großer Bedeutung ist, aber auch auf der zwischenmenschlichen und gesellschaftlichen Ebene verwirklicht wird. Dieses tut die Hamburger Deutsch-Polnische Gesellschaft erfolgreich seit 40 Jahren. Ohne solche Organisationen würde die polnisch-deutsche Partnerschaft anders als heute ausgesehen. Der Zusammenbruch des Kommunismus in Europa hat die politische Lage auf dem alten Kontinent ganz verändert. Polen wurde endlich frei und souverän, Deutschland wiedervereint. Es gab schon keine Hindernisse für die polnisch-deutschen Kontakte. In der neuen politischen und gesellschaftlichen Situation hat die Hamburger Deutsch-Polnische Gesellschaft ihre Mission fortgesetzt. Heutzutage veranstaltet die Gesellschaft regelmäßig verschiedene Seminare, Vorträge, Konzerte, die dem Publikum in Hamburg Polen annähern. Sie gehört zu den bedeutendsten Zentren der polnisch-deutschen Kooperation in Norddeutschland, zählt auch zu den wichtigsten Partnern des Generalkonsulats der Republik Polen in Hamburg. Die gemeinsamen Projekte, die von dem Generalkonsulat und der DPG durchgeführt werden, genießen bei den Gästen ein großes Ansehen. Ich möchte nur drei Beispiele von der letzten Zeit nennen. Im Juni dieses Jahres hat die Gesellschaft in der Zusammenarbeit mit der Volkshochschule Hamburg die Veranstaltungsreihe „Sommer in… Polen“ mitgestaltet. Dank dieser Initiative konnte man die polnische Kultur, Politik und Geschichte besser kennenlernen, gleichzeitig aber auch Spezialitäten der polnischen Küche probieren und die polnische Sprache lernen. Auch in diesem Jahr durften wir in meiner Residenz die Buchvorstellung von Wioletta Weiss: „Wir sind nur noch wenige. Erinnerungen aus einem Schtetl“ anbieten. Ich möchte zusätzlich an die erfolgreiche Podiumsdiskussion erinnern, die die Katholische Akademie in Hamburg im April 2010 mit der Unterstützung der DPG und des Generalkonsulates durchgeführt hat. Das sind nur einige Beispiele, diese zeigen aber, wie vielfältig und reich die Tätigkeit der Gesellschaft ist. Zum 40. Jubiläum gratuliere ich den Mitgliedern sehr herzlich und wünsche viel Erfolg in der Zukunft! Andrzej Osiak Generalkonsul Grußwort des Beraters für deutsch-polnische Angelegenheiten im Büro der Staatsministerin Cornelia Pieper im Auswärtigen Amt Wojciech Pomianowski Vier Treffen und ein Glücksfall „Am wichtigsten ist, dass man sich trifft!“, hat mir Hanno Jochimsen, der ehemalige Vorsitzende der Deutsch-Polnischen Gesellschaft Hamburg, einmal gesagt. Er hatte Recht. Ich konnte mich selbst mehrfach davon überzeugen. Aus meinen Treffen in der DPG Hamburg sind Bekanntschaften und Freundschaften fürs Leben entstanden. Diese Treffen spiegeln gleichzeitig die imposante Entwicklung der deutsch-polnischen Beziehungen in den letzten Jahrzehnten wieder. Zum ersten Mal war ich mit einer Gruppe polnischer Journalisten bei der DPG Hamburg in den 80-er Jahren zu Gast. Damals – es war noch die Zeit der Teilung Europas und Deutschlands – lernte ich die Menschen kennen, die bereits Jahre zuvor den mutigen Weg der Verständigung und Versöhnung zwischen Deutschen und Polen eingeschlagen hatten. Sie waren es, die die gesellschaftliche Grundlage für die kommende politische Wende vorbereiteten. Als polnischer Korrespondent im vereinten Deutschland nahm ich am 1. Kongress „Deutsche und Polen gemeinsam in Europa“ teil. Der Kongress wurde von der Arbeitsgemeinschaft der Deutsch-Polnischen Gesellschaft veranstaltet, deren Vorsitzender damals Hanno Jochimsen war. Er behauptete, für die gemeinsamen Beziehungen seien die DPGs eine Art Hefe. Sie entschieden zwar nicht darüber, wie groß das Brot würde, ohne sie aber würde der Teig gar nicht aufgehen. Es war das Jahr 1992. Die DPG Hamburg feierte ihr 20-jähriges Jubiläum und konnte ihre gesellschaftlichen Aktivitäten und partnerschaftlichen Beziehungen mit dem polnischen Rzeszow schon frei entfalten. Markus Meckel, der spätere Vorsitzende des Bundesvorstandes der Deutsch-Polnischen Gesellschaften, sagte mir damals: Wir brauchen eine Lobby für Polen in Deutschland und für Deutschland in Polen. Eine Lobby, die die Politik, Wirtschaft und Kultur mit dem täglichen Leben der deutschen und der polnischen einfachen Bürger verbindet. Eine Lobby von unten. Diese Funktion übte die DPG Hamburg in den nächsten zwei Jahrzehnten erfolgreich aus. Ohne diese Aktivitäten, ohne engagierte Menschen, ohne die gesellschaftlichen Vermittler über die Staats-, Kultur- und Sprachgrenzen hinweg wären die deutsch-polnischen Beziehungen heute viel ärmer. Dies ist zugleich die beste und eine bewährte Methode, Klischees, Vorurteilen, Phobien und Komplexen entgegenzuwirken und sie zu bekämpfen. Je mehr wir voneinander wissen und verstehen, je mehr Kontakte, Bekanntschaften und Freundschaften wir haben, desto immuner werden wir gegen die unterschiedlichsten Gefahren und Missverständnisse. Dafür habe ich mich als polnischer Gesandter in Deutschland bei der Verabschiedung des langjährigen Vorsitzenden der DPG Hamburg, Gerd Hoffmann, ausdrücklich bedankt. Inzwischen ist die DPG Hamburg 40 geworden. Ich besuchte sie zuletzt als polnischer Austauschbeamter im Büro der Staatsministerin im Auswärtigen Amt, Cornelia Pieper. Auch mein persönliches Beispiel zeigt, wie weit wir auf dem Weg zu einer gereiften deutsch-polnischen Partnerschaft sind. Dies wäre ohne die Freunde aus Hamburg, ohne die unzähligen anderen Menschen guten Willens, die genau wie sie denken, nicht möglich gewesen. Liebe Viola, liebe Aleksandra, lieber Gerd, lieber Hartwig und viele andere Freunde: ich danke Euch allen und gratuliere zum 40. Jahrestag eurer Gesellschaft aufs herzlichste. Ihr seid ein wahrer Glücksfall für Deutsche und Polen. Deswegen „Sto lat“ und weiter so! Grußwort des Vorsitzenden des Förderkreises „Mahnmal St.Nikolai“ Klaus Franke Zur Aussöhnung und zur Verständigung mit unserem europäischen Nachbarn Polen hat die Deutsch-Polnische Gesellschaft Hamburg einen ganz wesentlichen Beitrag in den vergangenen vier Jahrzehnten geleistet. Herzlichen Dank dafür. Besonders in den Zeiten der Gründung der Solidarnosc und den damaligen schwierigen wirtschaftlichen Verhältnissen in Polen ist dies deutlich geworden, Die Förderung des Wissens von Geschichte, Kultur und Musik Polens war immer ein besonderes Anliegen Ihrer Gesellschaft. Für die dabei gezeigte Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit uns sind wir Ihnen dankbar und wünschen der Gesellschaft weiterhin erfolgreiche Jahre. Klaus Francke Inhaltsverzeichnis Grußworte Olaf Scholz.……………………………………………………………….………………….……5 Helmut Schmidt…………………………………………………………………………………..6 Dr. Marek Prawda………………………………………………………………………………..8 Andrzej Osiak……………………………………………………………………………………10 Wojciech Pomianowski…………………………………………………………………………12 Klaus Franke…………………………………………………………………………………….14 Inhaltsverzeichnis……………………………………………………………………………….15 1. Einleitung……………………………………………………………………………………..18 2. Die Entstehung der DPG Hamburg…………………………………………………………20 3. Gründungsjahr 1972 …………………………………………………………………………22 4. Handeln in der kommunistischen Realität, 1972-1989……………………………………..25 4.1 Die ersten Gäste aus Polen 26 4.2 Die erste Reise nach Polen 26 4.3 Hilfreicher Gesprächspartner 27 4.4 Zusammenarbeit mit den Deutsch-Polnischen Gesellschaften Norddeutschlands 28 4.5 Deutsch – Polnische Großveranstaltungen 29 4.5.1 Polnische Tage 1971 in Hamburg 29 4.5.2 Polnische Tage 1975 in Hamburg 30 4.5.3 Hamburger Tage 1977 in Danzig/Gdańsk 31 4.5.4 Polnischer Herbst Hamburg 1981 33 4.5.5 Weitere Veranstaltungen 34 4.6 Städtepartnerschaft 34 4.7 Das Kriegsrecht in Polen 1981 36 4.8 „Resovia Saltans“ und Hamburg 37 4.9 Gründung des Bundesverbandes und der Zeitschrift „DIALOG“ 39 5. Neue politische Situation – neue Herausforderungen, 1989-2004…………………………41 5.1. Die Wende 41 5.2 Zusammenarbeit mit Rzeszów und der Region Podkarpackie (Vorkarpaten) 42 5.2.1 Bericht aus Rzeszów: Aus Fremden werden Freunde 43 5.2.2 Bericht aus Rzeszów: Gesichter der Freundschaft 43 5.2.3 Bericht aus Rzeszow: Glücksfälle 44 5.3 Germanistikstudenten aus Jasło/Krosno in Hamburg 45 5.3.1 Bericht von Germanistik-Dozenten der Fachhochschule Krosno 45 5.3.2 Bericht einer Studentin 48 5.4 Jubiläumsjahr 1997, 25 Jahre der DPG Hamburg 49 5.4.1 Die Festschrift 49 5.4.2 Die Festveranstaltung 52 5. 5 Eine besondere Hilfsaktion – Oderflut 1997 52 5.6 Umwelt und Ökologie 55 5.7 Zusammenarbeit mit den Hamburger Institutionen und Organisationen 57 6. Polen in der EU – neue Chancen im deutsch-polnischen Dialog…………………………..60 6.1 Jahreskongresse der DPG Bundesverband und 2007 in Hamburg 60 6.2 Praktikantenprogramme – Initiative zum praktischen Erfahrungsaustausch 61 6.3 Die Stellungnahme zur Frage eines Zentrums gegen Vertreibung 63 6.4 Studienreisen 65 6.5 Neues aus Polen 68 6.6 Mein „Goldenes Buch“ 73 6.7 Besondere Ehrungen unserer Mitglieder 82 6.7.1 Verdienstorden der Republik Polen verliehen an Mitglieder der DPG Hamburg 83 6.7.2 Matthiae-Mahl 2009 84 7. Aktivitäten der DPG Hamburg………………………………………………………………86 7.1 Aktivitäten im Bildungsbereich 86 7.1.1 Schüleraustausch 86 7.1.2 Lehrerstudienfahrten des Instituts für Lehrerfortbildung (IfL) 87 7.1.3 Fortbildung für Deutschlehrer 88 7.1.4 Gemeinsame Lehrerseminare 89 7.2 Sportbegegnungen 90 7. 3 Aktivitäten im Kulturbereich 91 7.3.1 Ausstellungen (exemplarische Beispiele) 91 7.3.2 Lesungen………………………………………………………………………………96 7.3.3 Musikveranstaltungen…………………………………………………………………97 8. Im Netzwerk der DPG………………………………………………………………………101 8.1 Der Ost-West-Kreis………………………………………………………………………101 8.2 „Wer seinen Nachbarn kennt, kann auf Vorurteile verzichten“….………………………102 8.3 Leben im Glas, Irena-Sendler-Schule………………………….…………………………105 9. Die Mitgliedschaft und die Vorstandsarbeit………………………………………………108 9.1 Aufbauphase in den 70er Jahre…………………………….……………………………..108 9.2 Konsolidierung und Änderungen in den 80er……………….……………………………109 9.3 Veränderungen nach 1990………….……………………….…………………………….110 9.4 Der Vorstand heute………………………….……………….……………………………112 GEDENKEN……………………………………………………………………………………116 AUTOREN……………………………………………………………………………………..117 LITERATURLISTE…………………………………………………………………………..117 ANHANG 1…………………………………………………………………………………….118 ANHANG 2…………………………………………………………………………………….119 1. Einleitung Vierzig Jahre liegen hinter der Deutsch-Polnischen Gesellschaft Hamburg, die – fast zur gleichen Zeit wie Schwestergesellschaft in Kiel – am 5. Juli 1972 als gemeinnütziger Verein gegründet wurde. Das sind 40 Jahre Arbeit unter sich ständig ändernden politischen Konstellationen, immer mit dem Ziel, Kontakte zu den Menschen in Polen herzustellen, um gemeinsam und partnerschaftlich neue Wege im Zusammenleben der beider Völker zu verwirklichen, trotz mancher Widerstände der jeweils Regierenden. Hunderte von Hamburgerinnen und Hamburgern engagierten sich über 40 Jahre für die völkerverbindende Arbeit, viele Vorstandsmitglieder leisteten Tausende von ehrenamtlichen Stunden, Hunderttausende in Deutschland und Polen erhielten durch die Aktivitäten der Gesellschaft die Möglichkeit, sich über das jeweilige Nachbarland zu informieren, die Nachbarn kennenzulernen und damit eine Basis für eine gemeinsame Zukunft in Europa zu schaffen. Letztendlich war der Deutsch-Polnische Vertrag über gute Nachbarschaft und freundschaftliche Beziehungen aus dem Jahr 1991 auch ein Ergebnis unserer Arbeit und der mittlerweile zahlreichen anderen deutsch-polnischen Gesellschaften in der Bundesrepublik, von denen sich über 50 im Bundesverband zusammengeschlossen haben. Wir haben mit unserer Arbeit, u.a. mit dem deutsch-polnischen Magazin „Dialog“, vertrauensbildend gewirkt, was insbesondere vor dem Hintergrund der leidvollen deutsch-polnischen Geschichte in unserer jüngsten Vergangenheit von großer Bedeutung war und ist. „Man darf die Vergangenheit nicht verharmlosen – aber trotzdem sollte man mehr über eine gemeinsame Zukunft reden“. Nach dieser Erkenntnis handelnd, entstanden die DPG Hamburg und viele weitere deutsch-polnische Gesellschaften in anderen Städten, die seitdem eine sehr erfolgreiche politische und kulturelle Arbeit leisten. „Es gibt in den letzten Jahren kein anderes Nachbarvolk, an dem ein so umfassendes Interesse gezeigt wurde wie am polnischen Volk. Allerdings der Nachholbedarf war hier auch gewaltig“ (Wolfgang Plat, 1980, 203). Es hat sich so über die Jahre ein umfassender deutsch-polnischer Dialog mit konkreten Projekten der Zusammenarbeit entwickelt, die Tausende von Polen und Deutschen mit dem jeweiligen Nachbarland in Verbindung brachte. Dauerhafte Freundschaften haben sich als Ergebnis dieser zielgerichteten Arbeit wie selbstverständlich ergeben. Unsere Arbeit für die Verständigung mit dem Nachbarland wurde von der Freien und Hansestadt Hamburg leider nicht immer angemessen gewürdigt. Die fehlende Städtepartnerschaft mit einer polnischen Stadt ließ uns wenig Spielraum und gestaltete die Rahmenbedingungen ungünstig. Es gab aber auch positive Erfahrungen. Für einige herausragende Aktivitäten haben die Präsidenten der Hamburgischen Bürgerschaft und des Hamburger Senats die Schirmherrschaft übernommen: für die Polnischen Tage 1971 in Hamburg übernahm Peter Schulz die Schirmherrschaft. Ihm folgte Hans-Ulrich Klose für die „Polnischen Tage ´75“ und für die “Hamburger Tage 77“ in Danzig/Gdańsk und den „Polnischen Herbst ´81“. Über ein Jahrzehnt später übernahm Bürgermeister Dr. Hennig Voscherau die Schirmherrschaft für die „Polnischen Tage 1993“ des Generalkonsulats der Republik Polen, Bürgerschaftspräsidentin Ute Pape für das 25. Jubiläum der Gesellschaft im Jahre 1997 und Bürgermeister Ortwin Runde für die „Polentage 1999“ der Neuen Gesellschaft. Jetzt hat Bürgermeister Olaf Scholz uns die Ehre erwiesen und die Schirmherrschaft für unser Jubiläum übernommen. Die Deutsch-Polnische Gesellschaft Hamburg ist seit ihrer Gründung sehr eng mit der Hamburgischen Bürgerschaft verbunden. Fast könnte man sie als „ein Kind der Bürgerschaft“ bezeichnen, wie die Bürgerschaftspräsidentin Ute Pape es ausdrückte. Der in dieser Festschrift vorgenommene Rückblick auf die vierzigjährige Geschichte der DPG Hamburg beruht für die ersten 25 Jahre im Wesentlichen auf den Beiträgen von Dr. Hanno Jochimsen und Gerd Hoffmann aus der Festschrift zum 25. Jubiläum 1997; ihre akribisch verfasste Dokumentation der deutsch-polnischen Freundschaft ist für uns ein bleibendes Vermächtnis. Ich danke an dieser Stelle allen, die Berichte über unsere Gesellschaft und die gemeinsamen Aktivitäten, Erfahrungen und Erlebnisse verfasst haben. Hervorheben möchte ich vor allem unseren Ehrenvorsitzenden, Gerd Hoffmann, der zu den Gründungsmitgliedern der Gesellschaft gehört und immer noch aktiv mitarbeitet. Er hat auch mehrere Beiträge für diese Schrift geschrieben. Ein besonderer Dank gilt unserem Ehrenmitglied, Jan Dolny, dessen „Goldenes Buch“ sich als einmalige Dokumentation der Gäste zahlreicher Begegnungen in Hamburg und Polen erwies, deren Namen sonst in Vergessenheit geraten würden. Dank ebenfalls unseren bewährten Freunden in Rzeszów und Krosno, die mit spürbarer Wärme über unsere Begegnungen und Zusammenarbeit berichtet haben. Meinem Mann, Hans-Rainer Krizak, und meinen Vorstandsfreunden, Wolfgang Madlung, Aleksandra Jeszke-Zillmer und Hartwig Zillmer und Herbert Stelter, danke ich für ihre Unterstützung, ohne die diese Festschrift nicht zustande gekommen wäre. Viola Krizak August 2012 2. Die Entstehung der DPG Hamburg Blicken wir zurück auf die Geschichte der deutsch-polnischen Beziehungen vor der Gründung der Gesellschaft: In den Zeiten des Kalten Krieges wurde die deutsch-polnische „Versöhnung“ zu einem Schlüssel, um die weltanschaulich zementierte politische Teilung(in Europa) zu überwinden. Versöhnung bezieht sich auf gemeinsame Werte, die Menschen und Gesellschaften verbinden. Sie ist eine ideelle Brücke, die zu neuen Orientierungen und politischen Haltungen anregt und damit Gesellschaft und Politik beeinflusst (Stephan Raabe, 2010, 11). Trotz der gemeinsamen Werte war die politische Situation am Ende der 60er Jahre schwierig und bildete keine günstigen Bedingungen für den Bau einer deutsch-polnischen Verständigungsbrücke über die Blockgrenzen hinweg. Die sowjetischen Truppen besetzten halb Europa und die Volksrepublik Polen befand sich in einer tiefen politischen und ökonomischen Krise. Trotz der ungünstigen Bedingungen gab es einen kleinen Kreis von Hamburgerinnen und Hamburgern, die auf verschiedenen Ebenen deutsch-polnische Kontakte entwickelt und gepflegt haben. Zu diesem Kreis gehörten u.a. Mitglieder der Deutschen Beamtenbund-Jugend Hamburg, die erstmals 1965 eine Studienfahrt nach Warschau durchgeführt hatten. Ab 1968 bis Mitte der 70er Jahre folgten jährlich weitere Bildungsurlaubsreisen junger Mitarbeiterinnen mit Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes(Gerd Hoffmann, 2005, 275). Im Rahmen einer jugendpolitischen Zusammenarbeit der Hamburger Gewerkschaftsjugendorganisationen von DGB (Deutscher Gewerkschaftsbund), DAG (Deutsche Angestelltengewerkschaft) und DBB (Deutscher Beamtenbund) im „Aktionszentrum Hamburger Jugendverbände“ wurde im Frühjahr 1970 im Hamburg-Haus Eimsbüttel die Ausstellung „25 Jahre Polens West- und Nordgebiete“ präsentiert, die von der Aktion Sühnezeichen bereit gestellt und von Senator Helmuth Kern eröffnet wurde. Das „Aktionszentrum Hamburger Jugendverbände“ war auch Veranstalter der ersten „Polnischen Tage“ in Hamburg, die im Frühjahr 1971 mit über 70 Veranstaltungen stattfanden und von einem Ende Oktober 1970 gegründeten „Arbeitskreis Polen“ vorbereitet wurde. Das ist die eigentliche Geburtsstunde der Deutsch-Polnischer Gesellschaft Hamburg. Diese Veranstaltungsreihe wurde möglich, weil die kommunistischen Machthaber in Warschau vor allem wirtschaftliche Kontakte zur Bundesrepublik suchten. Dieser Umstand wirkte sich positiv auf die neue Ostpolitik Bonns nach 1970 sowie auf die Arbeit der deutsch-polnischen Initiativen aus. Nach dem Scheitern des totalitären Herrschaftsmodels im Sowjetblock 1956 versuchten die polnischen Kommunisten durch Liberalisierungsmaßnahmen die Stabilisierung ihres autoritären Herrschaftssystems zu erreichen. Politisch erhofften sie sich dabei die Unterstützung von breiteren Gesellschaftsgruppen sowie die Verbesserung der ökonomischen Leistungsfähigkeit des Landes. Die diktatorische Monopolstellung der prosowjetischen Einheitspartei im Staat und in der Gesellschaft durfte allerdings trotz aller Maßnahmen nicht in Frage gestellt werden (Basil Kerski, 2007). Ziel der „Polnischen Tage1971“ war das Nachbarland Polen ins Bewusstsein der Menschen bei uns zu bringen und den gerade unterzeichneten „Warschauer Vertrag“ zwischen den beiden Ländern mit Leben zu erfüllen, um damit die Bemühungen von Bundeskanzler Willi Brandt zur Aussöhnung, Verständigung und Zusammenarbeit zu unterstützen. Die Bürgerinnen und Bürger Hamburgs sollten die Möglichkeit erhalten, das Nachbarland und seine Menschen näher kennen zu lernen. Der „Warschauer Vertrag“ war ein völkerrechtlich verbindliches Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik Polen, der in Polens Hauptstadt am 7. Dezember 1970 unterzeichnet und am 17. Mai 1972 vom Deutschen Bundestag ratifiziert wurde (BGB. 1972 II, S. 362 ff.). Unter diesen Rahmenbedingungen entwickelten sich insbesondere im norddeutschen Raum einige bürgerliche Initiativen, die allerdings nur einen kleinen Teil der Bevölkerung erreichten konnten. Der „Arbeitskreis Polen“ arbeitete bis zur Gründung der DPG Hamburg und organisierte gemeinsam mit dem „Aktionszentrum Hamburger Jugendverbände“ eine Reihe von Vortrags- und Diskussionsveranstaltungen sowie Studienfahrten nach Polen. Seine Arbeit wurde von der Journalistin und Schriftstellerin Annaliese Wulf und dem ehrenamtlichen Geschäftsführer der DBB-Jugend Hamburg, Gerd Hoffmann, geleitet. Nach den erfolgreichen „Polnischen Tagen 1971“ beabsichtigten sie, die Arbeit des „Arbeitskreis Polen“ auf eine breitere gesellschaftliche Basis stellen und initiierten die Gründung der Deutsch-Polnischen Gesellschaft Hamburg (Gerd Hoffmann, 2005, 275 ff). Hanno Jochimsen, der Nachfolger des Gründungsvorsitzenden Vorsitzenden der Deutsch-Polnischer Gesellschaft Hamburg, Pastor Hans Mohn MdBü, berichtet: „Im Januar 1971 – wenige Wochen nach der Unterzeichnung des Warschauer Vertrags im Dezember 1970 – standen unangemeldet Gerd Hoffmann und Friedrich Riethmüller in meinem Zimmer im Rathaus und erklärten, soeben hätte der damalige Zweite Bürgermeister und Schulsenator Peter Schulz die Schirmherrschaft über die bald zu veranstaltenden „Polnischen Tage“ übernommen. Es sei nun meine Pflicht als stellvertretender Pressesprecher, ihnen bei der Pressearbeit zu helfen. Es war der Anfang einer wechselvollen gemeinschaftlichen Friedensarbeit. Irgendwie entstand ein Vertrauen zwischen uns. Gerade unsere so unterschiedlichen persönlichen Hintergründe ließen die Zusammenarbeit fruchtbar werden“ (Hanno Jochimsen, 1997, 8). Vorausschauend war es ihm bewusst, dass „Nationen nicht weggezaubert werden können, wie die vor uns lebende Generation wohl gemeint haben muss und dabei Völkermord als selbstverständlich ansah – dass die Polen also immer Nachbarn der Deutschen und die Deutschen selber nur eine begrenzte – wenn auch unbestimmte – Zeit geteilt sein würden“ (Hanno Jochimsen, 1997, 8). Im Frühjahr 1972 wandte sich der „Arbeitskreis Polen“ an die Mitglieder der Hamburgischen Bürgerschaft Ulrich Hartmann und Hans Mohn sowie an den Wandsbeker Bezirksabgeordneten Hartwig Schröder, die gerade von einer Informationsreise durch Polen auf Einladung von „Aktion Sühnezeichen“ zurückgekehrt waren und aus ihren persönlichen Erlebnissen heraus einen Beitrag zur deutsch-polnischen Verständigung leisten wollten. Einer der wichtigsten Beweggründe für diese Initiative war, den im Dezember 1970 geschlossenen „Warschauer Vertrag“ mit Leben „von unten“ zu erfüllen. Die Arbeit des Arbeitskreises sollte auch einen verbindlichen Rahmen erhalten. Gemeinsam wurde beschlossen, eine Deutsch-Polnische Gesellschaft Hamburg zu gründen, worauf der „Arbeitskreis Polen“ mit einer kleinen hektographierten Einladung zu einer Gründungsversammlung ins Hamburger Rathaus bat. (Gerd Hoffmann, 2005, 276) 3. Gründungsjahr 1972 „Verständigung mit Polen suchen, wollte ich nicht nur, weil ich dieses Land, seine Kultur und seine Menschen schätzen gelernt hatte, sondern auch um dem eigenen Land zu helfen. Ohne den Frieden mit Polen war kein dauerhafter Frieden für die Deutschen zu erwarten und eine Wiederholung der Ereignisse der letzten zwei Jahrhunderte – von den Teilungen Polens bis zum Vernichtungsangriff 1939 – nicht auszuschließen. Sodann konnte man beim Aufbau der Beziehungen zu Polen langfristig und in historischer Sicht etwas Sinnvolles gegen die Teilung des eigenen Landes tun“ (Hanno Jochimsen, 1997, 9). Diese Erkenntnis war wichtig und notwendig, um die weiteren Schritte zu unternehmen. So wurde die Deutsch-Polnische Gesellschaft Hamburg am 5. Juli 1972 parallel zu der an diesem Tag laufenden Bürgerschafts-sitzung gegründet. Zu den Gründungsmitgliedern gehörten 15 Personen: Senator Dr. Hans-Joachim Seeler, die SPD Bürgerschaftsmitglieder Bodo Fischer, Ulrich Hartmann, Elisabeth Kiausch, Walter Lohmann, Hans Mohn, Elisabeth Ostermeier, Raimond Wagener, , Dr. Gerd Weiland und Heiner Widderich, sowie Gerd Hoffmann, , Friedrich Riethmüller, Hartwig Schröder, Dorothea Wick und Annaliese Wulf . Als Vorsitzender des Gründungsvorstandes wurde Pastor Hans Mohn gewählt. Die Arbeit des Gründungsvorstandes konzentrierte sich neben der Schaffung der formalen vereinsrechtlichen Voraussetzungen und der Gewinnung der Mitglieder sehr stark auf einen öffentlichen Aufruf unter dem Titel „Friede mit Polen“ (Anhang 1). Dieser Aufruf wurde von namhaften Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens in Hamburg, u.a. Bürgerschaftspräsidenten Herbert Dau (Hamburger Ehrenbürger und Mitglied der Gesellschaft kurz nach ihrer Gründung), Bürgermeister Peter Schulz, Senator Helmut Kern und dem DBB-Vorsitzenden Joachim Gragert unterzeichnet. Die Erklärung entstand in der Wohnung von Annaliese Wulf, die zusammen mit Gerd Hoffmann Motor des Polnischen Arbeitskreises war. Dort wurde um eine angemessene Formulierung des Aufrufs hart gerungen und trotz der ganz unterschiedlicher politischer Ausgangspunkte Einigung erzielt. Dieser Aufruf ist neben der inhaltlichen Zielrichtung der Satzung über die Jahre bis heute Leitlinie der Deutsch-Polnischer Gesellschaft Hamburg geblieben. In die Vorbereitung der Erklärung wurde der stellvertretende Leiter der Staatlichen Pressestelle Hamburg, Dr. Hanno Jochimsen, als Medienexperte einbezogen. Diese Unterstützung war dann der Ausgangspunkt für seine jahrelange engagierte Arbeit für die deutsch-polnische Aussöhnung, Verständigung, Zusammenarbeit und Freundschaft als Vorsitzende der Deutsch-Polnischen Gesellschaft Hamburg. von 1973-1991 und von 1991-2002 als deren Ehrenvorsitzender. Von entscheidender Bedeutung für die Arbeit der DPG Hamburg war, über alle Parteigrenzen hinweg viele Aktivitäten zu entwickeln, viele Verbindungen zwischen Polen und Hamburg herzustellen und viele Initiativen zu unterstützen. Im Verlaufe der ersten ordentlichen Mitgliederversammlung kritisierte Oswald Beck (Mitglied der CDU-Bürgerschaftsfraktion) die für ihn einseitige politische Zusammensetzung des Gründungsvorstandes. Der Verweis auf Jochimsen, der FDP Mitglied war, vermochte ihn ebenfalls nicht zu beruhigen, weil dieser doch zum Koalitionspartner in Bonn und Hamburg zählte. Die Versammlung ergriff die Chance, die CDU als eine wichtige politische Gruppe zu integrieren und wählte ihn in den Vorstand. Zudem war die Zusammenarbeit mit dem aus Bielitz-Biala/Bielsko-Biała stammenden Oswald Beck, der sich über polnische Angehörige seiner oberschlesischen Familie empört hatte und deshalb vertrieben wurde, aber nun seinen persönlichen Frieden suchte, außergewöhnlich fruchtbar. Er kannte die polnische Psyche. Von ihm haben die ersten Vorstandsmitglieder viel gelernt (Hanno Jochimsen, 1997, 10). Der Vorstand arbeitete harmonisch über die Parteigrenzen hinaus, nicht zuletzt auch deshalb, weil niemals Beschlüsse gefasst wurden, die die Schmerzgrenze bei einem der Mitglieder überschritten hätten. Die historischen Dimensionen der Verständigung mit Polen und der damit verbundenen Gründung der DPG Hamburg hatten zu jener Zeit nur wenige richtig eingeschätzt – auch nicht der Erste Bürgermeister Peter Schulz – als er die vier Mitglieder des engeren Vorstands der Gesellschaft, Oswald Beck, Gerd Hoffmann, Friedrich Riethmüller und Hanno Jochimsen im Rathausehrenhof traf und fragte: „Was ist denn dies für eine seltsame Koalition?“ Und als Jochimsen bei einer späterer Gelegenheit vom gemeinsamen Engagement für den Frieden mit Polen sprach, antwortete der Bürgermeister etwas leise: „Es sind doch alles Bolschewisten – was wollen Sie da?“ (Hanno Jochimsen, 1997, 9) Diese Erinnerungen von Hanno Jochimsen verdeutlichen ebenfalls, dass bald nach Gründung der Gesellschaft sich Mitglieder aller drei damals im Deutschen Bundestag und in der Hamburgischen Bürgerschaft vertretenden Parteien zusammenfanden, um Wege der Friedensgestaltung mit Polen über die Parteigrenzen hinweg zu suchen. Sie fanden sich zu gemeinsamer Arbeit bereit, um einen Konflikt überwinden zu helfen, der damals genau 200 Jahre alt war. Als Leitmotiv galt damals die Überzeugung, dass das Verhältnis zwischen Polen und Deutschen nicht Gegenstand innenpolitischer Konfrontation sein durfte. Die unterschiedlichen Gesellschaftsordnungen in der Volksrepublik Polen und der Bundesrepublik Deutschland durften keine Ausrede dafür sein, nicht für die Verständigung zwischen Polen und Deutschen zu arbeiten. Die historischen Fehler des nicht miteinander Sprechens, des nicht aufeinander Zugehens, die schließlich im Inferno des 2. Weltkrieges endeten, durften sich nicht wiederholen. Wenn der Friede in Europa gesichert werden sollte, dann war ein erträgliches Verhältnis zwischen Polen und Deutschen eine wesentliche Voraussetzung. In der Gründungsphase der Gesellschaft gab es den Versuch, die Hamburger Initiative als Untergliederung in die damals bereits existierende Deutsch-Polnische Gesellschaft Düsseldorf (später mit Alleinvertretungsanspruch: Deutsch-Polnische Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland) zu integrieren. Auf die Integration wurde nach gründlicher Prüfung aber auch aus Furcht vor Überfremdung und Beeinträchtigung der regionalen Interessen verzichtet. Dabei hat eine Steuerung der Düsseldorfer Gesellschaft durch DKP-nahe Kader durchaus eine Rolle gespielt. Da der „Warschauer Vertrag“ innenpolitisch sehr umstritten war und von der CDU/CSU auf Bundesebene nicht akzeptiert wurde, erschienen in der Hamburger Presse, die durch die Springer-Medien sehr einseitig gegen die Ostpolitik Willi Brandts geprägt war, im Gründungsjahr 1972 nur zwei kurze Artikel über die Deutsch-Polnische Gesellschaft publiziert. Im ersten vom 1. August hieß es: „Eine deutsch-polnische Gesellschaft, die eine Verständigung zwischen der Volksrepublik Polen und der Bundesrepublik Deutschland anstrebt, ist in Hamburg gegründet worden. Erster Vorsitzender wurde der SPD-Bürgerschaftsabgeordnete Pastor Hans Mohn. Die Gesellschaft ist aus dem deutschpolnischen Arbeitskreis entstanden, der seit längerer Zeit in Hamburg tätig ist. Im November soll in einer zehntägigen Veranstal-tungsreihe das Thema „Polen in Literatur und Schulbuch der Bundesrepublik“ behandelt werden.“ In dem 2. Bericht vom 28.11.1972 ging das Hamburger Abendblatt etwas stärker auf die Arbeitsinhalte ein: „Die kürzlich gegründete Deutsch- Polnische Gesellschaft Hamburg, deren Erster Vorsitzender der SPD- Bürgerschaftsabgeordnete Pastor Hans Mohn ist, will vor allem Kontakte zwischen jungen Menschen beider Völker knüpfen. Vorgesehen sind ein Informationsaustausch, polnische Ausstellungen, kulturelle Veranstaltungen, Sprachkurse in Hamburg und Studienreisen nach Polen. Ferner strebt Pastor Mohn die Einrichtung eines Informationszentrums und die Partnerschaft zwischen Hamburg und einer polnischen Stadt an. Am 30. November will sich die Deutsch-Polnische Gesellschaft um 20 Uhr in den Räumen der Neuen Gesellschaft, Rothenbaumchaussee Nr. 19 vorstellen. Ein Beauftragter der polnischen Botschaft in Köln hat sein Erscheinen zugesagt.“ Auch in den Folgejahren war das Interesse der Springer-Presse an der Arbeit der DPG Hamburg sehr gering; es erschienen kaum Hinweis auf oder redaktionelle Beiträge über durchgeführte Veranstaltungen. Die „Ostpolitik“ und alle damit in Zusammenhang stehenden völkerverbindenden Aktivitäten passten offensichtlich nicht in das verlegerische Konzept. 4. Handeln in der kommunistischen Realität, 1972-1989 Gesellschaftliches Engagement im deutsch-polnischen Bereich war für viele Westdeutsche in den 70er und 80er Jahren die beinahe einzige Möglichkeit der Zusammenarbeit zwischen den politischen Machtblöcken. Die Deutsch-Polnischen Gesellschaften repräsentierten vor 1989 somit nicht nur das bilaterale Verhältnis, sie waren vielmehr wichtige Protagonisten des gesamten Ost-West-Dialogs. Sie lieferten Hinweise, dass der europäische Einigungsprozess nur mit den auf der Regierungsebene geschlossenen Verträgen unvollkommen blieb und durch direkte Kontakte zwischen den Menschen mit Inhalten gefüllt werden musste. Die mit den westeuropäischen Nachbarn abgeschlossenen Vereinbarungen berührten nur einen Teil Europas und waren damit für ein „europäisches Haus“ nicht ausreichend. Diese gesamteuropäische Haltung führte viele junge Menschen ohne familiären Bezug zu Polen in die Deutsch-Polnischen Gesellschaften. Neben den Befürwortern der neuen Ostpolitik und des europäischen Dialogs zwischen den Systemblöcken zogen die Gesellschaften auch die in der Bundesrepublik lebenden Polen sowie Deutsche mit familiären Wurzeln im östlichen Europa, also auch viele vertriebene Deutsche, an. (Basil Kerski, 2007, 8) In den Jahren 1972 bis 1980 entstanden überwiegend im norddeutschen Raum 19 Deutsch-Polnische Gesellschaften. (Wolfgang Plat, 1980, 301f). Was tut man aber nun mit einer Gesellschaft, die Beziehungen zu Polen will, wenn es keinen Ansatz gibt, im durch die DDR abgeschirmten Nachbarland überhaupt gehört zu werden? Nach den 25 Jahren des Schweigens von 1945 bis 1970 zwischen beiden Völkern, der „Hallstein-Doktrin“, dem durch geschichtliche Erfahrungen vor allem in Polen geprägten und verständlichen Misstrauen und den Unterschieden in den Gesellschaftsordnungen, gab es keine eingefahrenen Wege, auf denen sich so einfach Kontakte knüpfen ließen. Der neue Vorstand der DPG Hamburg, allen voran sein unermüdlicher Geschäftsführer Gerd Hoffmann, machte sich daran, zu jeder Gruppe aus Polen, die Hamburg besuchte, Kontakt aufzunehmen und sie zu einem Gespräch einzuladen und dabei die Gesellschaft vorzustellen. Dieses Vorgehen trug nach einiger Zeit Früchte. Irgendwie hatte es sich wohl in Polen herumgesprochen, dass es da in Hamburg eine bemerkenswerte Gruppe gab, die mit ihnen Kontakt suchte. Auch vor Ort in Hamburg gab es Handlungsmöglichkeiten und die Notwendigkeit, etwas für die hier lebenden Aussiedler zu unternehmen. Hanno Jochimsen berichtet über die Anfänge seiner Arbeit: „Kurze Zeit nach meiner Wahl zum Vorsitzenden erreichte mich die Bitte eines mir bis dahin unbekannten Jan Dolny, ihm bei der Ausrichtung einer deutsch-polnischen Veranstaltung in der katholischen Kirche in Hamburg-Hamm zu helfen. Ich bot ihm einen Vortrag mit Dias an, die ich während einer der ersten Polenreisen mit „Dr.Tigges“ im Juni 1971 aufgenommen hatte. Es war eine der ersten in das Nachbarland überhaupt gewesen, und Dias über Polen hatten Seltenheitswert. Was ich jedoch in Hamm antraf, hat mich tief erschüttert: Der erst 1957 nach seiner polnischen Schulausbildung aus Schlesien ausgesiedelte Schiffbauer Jan hatte es aus eigener Berufung übernommen, die neuen Generationen von ausgesiedelten Jugendlichen zu betreuen, die im Aufnahmelager Finkenwerder lebten. Nun waren sie für einen Nachmittag nach Hamm gekommen und hatten in einem Kellerraum der Kirche eine Ausstellung von Postkarten arrangiert. Für jede der damaligen Woiwodschaften war eine kleine Kabine geschaffen worden, in der die nur polnisch sprechenden Deutschen jeweils „ihre“ Woiwodschaft mit Postkarten dargestellt hatten. Auf der anderen Seite des Kellergangs machten sich der polnischen Minderheit angehörende und unter sich nur deutsch sprechende Jugendliche für einen Volkstanzauftritt mit ihrer Billstedter Gruppe „Krakowiak“ fertig. Über den Kellergang fanden keine Gespräche statt. Die Atmosphäre war voller Hass. Man hörte Warnungen vor einander – in Deutsch vor den Deutschen, in Polnisch vor den Polen. Eine seltsame Welt, die jedoch die Beziehungen zu Jan Dolny auf der einen Seite – der bald ein Mitstreiter in der Gesellschaft wurde – und zur polnischen Minderheit andererseits wachsen ließ. Das Erlebnis zeigte, welche Aufgaben uns in Hamburg erwarteten“. (Hanno Jochimsen, 1997, 10) 4.1 Die ersten Gäste aus Polen Da die DPG auf der polnischen Seite keine Ansprechpartner hatte, konnten sie an die Kontakte anknüpfen, die Otto Wagner als stellvertretender Leiter des Studienseminars und späteren Instituts für Lehrerfortbildung geschaffen hatte. Mit der polnischen Lehrergewerkschaft wurde der jährliche Austausch von Reisegruppen zwar schon 1964 vereinbart, aber erst Anfang der 70er Jahre realisiert. Die Vorstandmitglieder gaben für die polnische Reisegruppe einen Empfang, den ersten, aus dem sich eine jahrelange Tradition entwickelte. Lehrer sind schließlich für das Verhältnis zwischen Völkern ganz besondere Multiplikatoren. Geholfen hat ebenfalls die Katholische Akademie Hamburg mit ihrem Direktor Günter Gorschenek, der die Vorstandsmitglieder oft einlud, wenn er polnische Gäste hatte. Die Akademie war, wie es sich bald herausstellte, der Anlaufpunkt für den nach oder über Hamburg reisenden polnischen Klerus. Unter den Gästen waren ebenfalls häufig Professoren der Katholischen Universität Lublin, unter ihnen die Professoren Nossol, der spätere Erzbischof von Oppeln/Opole und Władyslaw Bartoszewski, der ehemalige polnische Außenminister und heutige Beauftragter der polnischen Regierung für die polnisch-deutsche Zusammenarbeit. 4.2 Die erste Reise nach Polen Ein anderer Ansatzpunkt, die Aufgaben der Gesellschaft zu erfüllen, war, die Hamburger Bürgerinnen und Bürger, mit dem Nachbarland, seinen Menschen, seinen Problemen, seiner Geschichte und ebenfalls den erschreckenden Hinterlassenschaften des Nazi-Terrors vertraut zu machen. Im politischen Bereich wurde diskutiert, dass es nicht nur Reisen des damaligen Kuratoriums für staatsbürgerliche politische Bildung nach Israel, sondern auch solche nach Polen geben sollte. Schließlich würden sich die dortigen Verhältnisse im gleichen Maße auf die innerhamburgische Politik auswirken, wie die in Israel. Der Vorstand beschloss deshalb, sich mit einem ansehnlichen Kontingent von Teilnehmerinnen und Teilnehmern an der Fahrt des Kuratoriums für politische Bildung nach Polen zu beteiligen, um Erfahrungen für künftige Reisen zu sammeln. Die Route führte über Breslau und Krakau nach Warschau und über Posen zurück nach Deutschland. Hanno Jochimsen als Reiseleiter stieß auf große Widerstände beim ersten politischen Treffen im Kloster von Tschenstochau/Częstochowa. Wer die Volksrepublik Polen etwas kannte, wusste, dass hier die damals einzige Opposition saß, mit der man sprechen konnte, wenn man in die Klausur des Klosters eingelassen wurde. Vorbereiten ließ sich ein solcher Besuch nicht, denn die Telefone wurden selbstverständlich abgehört. In das Programm konnte ein solcher Besuch auch nicht aufgenommen werden, weil man nicht wusste, ob das Kloster einen aufnehmen würde, und weil ein solcher Programmeintrag die Gesprächspartner gefährdet hätte. Bemerkenswert wie leicht es war, vor dem Klausurbesuch den polnischen Begleiter unter einem fadenscheinigen Vorwurf „los zu werden“ und wie schwer es war, einige der eigenen Teilnehmer zu beruhigen. Aus grundsätzlichen Gründen lehnten sie jede Art von Weihrauch und Berührung mit der katholischen Kirche ab und empfanden es als eine Zumutung, von dem konfessionsneutralen Kuratorium in ein Kloster „verschleppt“ zu werden. Wer jedoch teilnahm, erfuhr etwas über die Akzeptanz oder besser die Nichtakzeptanz, des Regimes durch die Bevölkerung, denn das Kloster verfügte über eine effiziente soziologische Forschungsabteilung. Bei ihren Befragungen konnte sie auf alle Kirchengemeinden des Landes zurückgreifen. Mehr und mehr bestürzt von dem, was sie während der Fahrt erlebten, war das Ehepaar Lisi und Adolf Vogel. Sie hatte schon seit einiger Zeit vergeblich versucht, für die Hamburger Frauenverbände eine Fahrt nach Polen zu organisieren, was ihr aber stets von der polnischen Botschaft in Köln abgelehnt wurde. Er, der Historiker, erfuhr, wie sehr die gemeinsame Geschichte das Deutschlandbild der Polen prägte, und wie wenig über die polnische Geschichte von seiner Generation gelehrt wurde. Beide haben sich danach intensiv der Arbeit der Gesellschaft gewidmet. Frau Vogel war immer einsatzbereit im Vorstand und Herr Vogel hielt mehrere Vorträge zur polnisch-deutschen Geschichte. In Warschau wurde die Gruppe im Außenministerium empfangen, wo der zuständige Abteilungsleiter einen Vortrag über die polnische Deutschlandpolitik hielt. Verblüfft war Hanno Jochimsen, als er von drei Objekten dieser Politik sprach, nämlich der DDR, der Bundesrepublik und „Deutschland als Ganzem“, ein Begriff, der im Ostblock eigentlich verpönt war. Irgendwie muss der Diplomat seiner Zeit zu weit voraus gewesen sein, denn kurze Zeit später wurde er als Botschafter nach Tunis versetzt. Besuche im polnischen Außenministerium sollten in den nächsten zehn Jahren an der Tagesordnung bleiben. Schließlich wurde dort bestimmt, ob und zu welchen Zwecken die Deutschen einreisen durften, denn Einreisevisum zu erhalten, war in diesen Zeiten keine Selbstverständlichkeit. Regelmäßig wurde auch die Botschaft der Bundesrepublik im Stadtteil Praga besucht, zum einem um sich zu informieren und zum anderen um keinen Verdacht im eigenen Land aufkommen zu lassen. Während dieser ersten Reise gab es ein Treffen mit dem jungen Legationsrat Frank Elbe, damals zweiter Sekretär an der Botschaft, der es später bis zu den höchsten Positionen im Auswärtigen Amt geschafft hat. Im kleinen Kreis sagte er damals: „Sie werden es schwer haben, Gesprächspartner in diesem Land zu finden.“ Ein Satz, der Hanno Jochimsen sehr in Erinnerung geblieben ist, weil er nicht nur unsere Situation, sondern in jener krisenhaften Zeit (Helsinki mit dem Schmidt-Gierek Abkommen war noch fern), ebenfalls die Botschaft betraf. In den nächsten Jahren wurde immer wieder dafür gesorgt, sehr zum Leidwesen unserer oft frustrierten polnischen Partner, dass Vertreter der Botschaft an den Gesprächen teilnahmen. (Hanno Jochimsen, 1997, 12-13) 4.3 Hilfreicher Gesprächspartner Im April 1974 tauchte mit Józef Dubiel, dem damaligen Generalsekretär von Interpress in Warschau, ein sehr kompetenter Gesprächspartner auf. Er war nach Hamburg als Gast von Internationes e.V. (Bonn), gekommen, einem Verein im Einflussbereich des Auswärtigen Amtes. Und Interpress erfüllte teilweise die gleichen Aufgaben auf polnischer Seite. Dubiel kam wie viele von der Bundesregierung eingeladene journalistische Gäste damals zu Hanno Jochimsen in die Staatliche Pressestelle ins Rathaus. Er wusste aber genau, dass er ebenfalls den Vorsitzenden der Deutsch-Polnischen Gesellschaft Hamburg vor sich hatte. Sie sprachen über das Projekt „Polnische Tage in Hamburg“, das kurz zuvor im Namen einer anderen Deutsch-Polnischen Gesellschaft an die Senatskanzlei herangetragen worden war. Die Senats-kanzlei hatte aber einige Vorstandsmitglieder der DPG zum Gespräch hinzugezogen und darauf bestanden, es nur mit der heimischen Gesellschaft durchführen zu wollen. Nun war es irgendwie liegen geblieben. Hanno Jochimsen berichtet: “Nach dem Besuch begleitete ich Dubiel, um besonders höflich zu sein, zu seinem nächsten Termin ins Spiegel – Haus. An einer Straßenkreuzung auf „grün“ wartend und im großen Lärm fragte er mich, ob ich denn die „Polnischen Tage in Hamburg“ wolle. Was ich bejahte, worauf er mir andeutete, dass ich aus Polen hören würde. Unmittelbar kamen mir die äußeren Umstände dieses Frage- und Antwortspiels seltsam vor. Heute scheint es so, als ob es irgendwie „abhörsicher“ sein sollte. In der Tat wurden wir von unserem Verfassungsschutz in den nächsten Jahren immer wieder vor dem „Geheimdienstler“ Dubiel gewarnt. Eingedenk der Aussage, wir würden es schwer haben, überhaupt Gesprächspartner in der Volksrepublik Polen zu finden, hielt der Vorstand den Arbeitskontakt mit Józef Dubiel über lange Zeit aufrecht.“ Das war ein Balancieren in mehrfacher Hinsicht. Dem Vorstand und erst recht den Mitgliedern konnte man nichts von den Warnungen des Verfassungsschutzes sagen, denn der hatte sich natürlich Diskretion erbeten. Auf der anderen Seite war dies der einzige reale Gesprächspartner, die man sich damals bekanntlich in Polen nicht aussuchen konnte. Hanno Jochimsen fühlte sich bestärkt, weil er bei Józef Dubiel spürte, dass er aus ganz persönlichen Gründen zur Verständigung zwischen Polen und Deutschen beitragen wollte und das Treffen diesem Ziel diente. Er förderte die gemeinsamen Projekte mit der DPG Hamburg auf eine bemerkenswerte Art und Weise gegen viele innerpolnische Widerstände. Interpress blieb durch viele Jahre Ansprechpartnerin für unsere Gesellschaft. Dieses Verhältnis blieb immer zwiespältig, schon weil sich die Verquickungen dieses Instituts und Józef Dubiel in einer Person mit Staat und Partei nicht überblicken ließen. Aber selbst wenn man hiervon absah, konnte ein dauerhaftes Gespräch zwischen ehrenamtlich engagierten Bürgern einerseits und Beamten andererseits nicht Bestand haben. Auch wenn es durchaus nicht unproblematisch war, so hatte die DPG wenigstens einen Ansprechpartner in Warschau. 4.4 Zusammenarbeit mit den Deutsch-Polnischen Gesellschaften Norddeutschlands Das Schicksal, Schwierigkeiten beim Aufbau von Beziehungen nach Polen zu haben, teilte die DPG Hamburg mit den in Norddeutschland existierenden Gesellschaften gleichen Namens. Es gab außer der DPG Hamburg die Deutsch-Polnischen Gesellschaften in Kiel (gegründet am 24.05.1972), Lübeck und Bad Segeberg. Einige ihrer Vorstandsmitglieder hatten an der ersten Polenreise der Hamburger Gesellschaft im Jahre 1973 teilgenommen, so dass eine Atmosphäre des Vertrauens entstanden war. Sehr bald nach der Rückkehr wurde beschlossen, sich regelmäßig zu treffen, um gegenseitig über die vorhandenen Kontakte nach Polen zu unterrichten und um eventuelle polnische Gäste von Gesellschaft zu Gesellschaft weiterzureichen. Es sollte so etwas wie einen Ersatz für fehlende Verbindungen zu Polen bilden. Die norddeutschen Gesellschaften fanden sich 1973 zu einer losen Arbeitsgemeinschaft zusammen, die sich vierteljährlich in Bad Segeberg traf. Die gemeinsamen Sitzungen der Vorstände der Gesellschaften taten über die Jahre der Zusammenarbeit gut, bereicherten das Programm aller Gesellschaften und halfen, alle Aktivitäten in Polen bekannt zu machen. Diese Initiative funktionierte über viele Jahre sehr gut und wird trotz der neuen Möglichkeiten in der Kommunikation bis heute fortgesetzt. Die Treffen fanden ein- bis zweimal im Jahr statt. Die jahrzehntelange Tradition wird in dieser Form bis heute fortgesetzt. Das letzte Treffen fand am 24. März 2012 in Bremen statt. Als die norddeutschen Gesellschaften Ende 70er Jahre in Göttingen die Initiative ergriffen, ein deutsch-polnisches Jugendwerk nach dem Vorbild des Deutsch-Französischen Jugendwerks zu gründen und dann in Hamburg die Gründungssatzung verabschiedet war sowie die notarielle Beurkundung unmittelbar bevor stand, wurden die Gesellschaften von der Botschaft der Volksrepublik Polen massiv kritisiert und diese Gründung als unfreundlicher Akt gegenüber Polen bezeichnet. Anschließend wurden die Gesellschaften von der polnischen Seite (Botschaft und West-Institut Posen/Poznań) aufgefordert, Aktivitäten Richtung Polen nur noch über die DPG der Bundesrepublik Deutschland oder über das Westinstitut in die Wege zu leiten. Dieser massive Eingriff in ihre Eigenständigkeit wurde von den Gesellschaften entsprechend deutlich zurückgewiesen (Gerd Hoffmann, 2005, 276 f). 4.5 Deutsch – Polnische Großveranstaltungen Die Vorbereitung und Durchführung der Großveranstaltungen der Deutsch-Polnischen Gesellschaft Hamburg zwischen 1971 und 1981 waren durch die ehrenamtlichen Engagements der Vorstandsmitglieder der Gesellschaft geleistet. Der Abbau von Vorurteilen auf beiden Seiten bestimmte vielfach die Arbeitsgespräche mit offiziellen Stellen, aber auch mit Institutionen und Organisationen. Zudem galt es häufig, Misstrauen auf polnischer Seite in intensiven Gesprächen zu beseitigen, was durch den häufigen Wechsel handelnder Personen bei den polnischen Partnern zusätzlich erschwert wurde. Einzige Möglichkeit der Begegnung mit der polnischen Realität und polnischen Bürgern waren bilaterale Veranstaltungen, die die DPG bzw. ihre Vorgängerorganisationen schon seit 1971 organisierten. Erst nach Einrichtung des polnischen Konsulats 1991 übernahmen die Diplomaten die Organisation polnischer Tage, wie z. B. 1993 in Hamburg und anderen Orten im norddeutschen Raum. 4.5.1 Polnische Tage 1971 in Hamburg Die „Polnischen Tage ’71“, die unter der Schirmherrschaft von Bürgermeister Peter Schulz standen, zeichneten sich dadurch aus, dass mit einer solchen großen polnischen Präsentation Neuland beschritten wurde. Durch einen Zuschuss des Hamburger Senats in Höhe von fast 50.000 DM konnte das anspruchsvolle Programm vom 25.03.- 4.04. 1971 realisiert werden. An den über 70 öffentlichen und ge-schlossenen Veranstaltungen, für die mit 3.000 Plakaten und 20.000 Broschüren öffentlich geworben wurde, haben sich über 10.000 Hamburgerinnen und Hamburger beteiligt; damit wurde der Hamburger Bevölkerung erstmals die Möglichkeit gegeben, sich umfassend über Polen zu informieren. Die Hamburger Presse berichtete ausführlich über das Ereignis. „Die Hamburger Morgenpost“ vom 26.März 1971 schrieb: „(…)In seiner Eröffnungsansprache richtete Bürgermeister Peter Schulz ein Dankeschön an die junge Generation als Initiatoren dieses kleinen „Völkertreffens“. Schulz hielt es für schwer, auf der Grundlage des schlechten Gewissens eine wirklich normale Beziehung aufzubauen. Er erklärte: „Der Deutsch-Polnische Vertrag ist eine Chance, er ist nicht ein Abschluss.“ Mit der offiziellen Eröffnung war der Startschuss für eine Reihe Veranstaltungen gegeben.“(…). Alle Hamburger Zeitungen berichteten über die zahlreichen Ausstellungen, Vorträge und Diskussionen. Neben Spezialitäten aus der polnischen Küche wurde polnischer Beat mit dem Ensemble „NO TO CO“ geboten. Das Breslauer Studententheater „Kalambur“ führte „Im Rhythmus der Sonne“ auf, eine poetische Revue nach Versen von Urszula Kozioł. Halina Anderska und Andrzej Kuśniewicz lasen aus ihren Werken. Hinzu kamen Diskussionsveranstaltungen, Ausstellungen zur Entwicklung in den West- und Nordgebieten, zur Architektur in alten und neuen Städten, von politischen Plakaten aus Polen und eine Fotoausstellung „Väter und Kinder“. (Gerd Hoffmann 1997) 4.5.2 Polnische Tage 1975 in Hamburg Einen weitaus größeren Rahmen mit einer wesentlich umfassenderen Darstellungsmöglichkeit boten die „Polnischen Tage ’75“, in deren Vorbereitung die Senatskanzlei mit Senatsdirektor Dr. Hans-Herbert Groothoff von Anfang an sehr aktiv einbezogen war. Die Hamburger Bürgerschaft hatte inzwischen 400.000 DM für die „Polnischen Tage“ bewilligt und zwar dies ausdrücklich im Hinblick auf die angekündigte Gegenseitigkeit, d.h. einer Hamburger Gegenveranstaltung in Polen. Bei den Verhandlungen mit den polnischen Partnern spielte diese Frage eine entscheidende Rolle, die fast zum Abbruch der Gespräche mit den polnischen Vertretern des Außen- und Kulturministeriums, der staatlichen Künstleragentur „Pagart“ und des staatlichen Informationsbüros „Interpress“ geführt hätten. Denn bis zu diesem Zeitpunkt hatte es die polnische Seite bei ihren Präsentationen in der Bundesrepublik stets vermeiden können, eine umfassende, repräsentative deutsche Darstellung in Polen zulassen zu müssen. Dank dem hartnäckigen Verhandlungsgeschick des Vorsitzenden der Deutsch-Polnischen Gesellschaft Hamburg, Dr. Hanno Jochimsen, gelang es, mit der polnischen Seite „Hamburger Tage ’77“ in Danzig/Gdańsk zu vereinbaren. Die Polen wollten 1975 bei dieser Großveranstaltung zeigen, wie tief die kulturellen Wurzeln der Polen im Westen verhaftet sind. Es ging darum, den Hamburgern zu zeigen: „Wir sind Euch gar nicht fremd!“, ein schöner, ganz im Sinne der deutschen Veranstalter liegender Ansatz. Damit wollte die polnische Seite bewusst einen anderen Weg gehen als bei den Polnischen Tagen in Hamburg 1971. Die polnische Seite war der Meinung, dass diese Veranstaltung für die Bedeutung des Landes zu klein geraten war und deshalb ihm nicht würdig gewesen. Nicht berücksichtigt wurde aber, dass diese Form der „Tage“ erhebliche lokale Initiativen ausgelöst hatte und in diesem Zusammenhang vielleicht gewichtiger als das nun zu planende Ereignis war. Die „Polnischen Tage ’75“ unter der Schirmherrschaft von Bürgermeister Hans-Ulrich Klose und Polens Außenhandelsminister Prof. Dr. Jerzy Olszewski fielen in die Phase der sehr guten Kontakte zwischen Bundeskanzler Helmut Schmidt und dem Ersten Sekretär der Polnischen Vereinigten Arbeiterpartei Edward Gierek. Schwerpunkt der Veranstaltungsreihe war eine breite wirtschaftliche Präsentation polnischer Produkte im Rahmen der Verbrauchermesse „Du und Deine Welt“. Im Rahmen dieser Präsentation in den Messehallen war auch die Deutsch-Polnische Gesellschaft Hamburg mit einem Informationsstand vertreten. Kulturelle Höhepunkte der Veranstaltungsreihe waren Auftritte des polnischen Nationalensembles „Śląsk“ im CCH und des Dramatischen Theaters Warschau mit Witold Gombrowicz „Die Trauung (Ślub)“ und Tadeusz Różewicz „Auf allen Vieren/Na Czworakach“ im Thalia-Theater. Ein deutsch-polnisches Wirtschaftstreffen in der Handelskammer, sportliche Begegnungen in sieben Sportarten, Vortrags- und Diskussionsveranstaltungen, polnische Filmtage, Kunst- und Fotoausstellungen, Konzerte (u.a. Piotr Paleczny, Kammerorchester „Al Antico“, Happy-Jazzband „HAGAW“) und polnische kulinarische Wochen im „Kranzler“ rundeten das Programm ab. Über 1.000 polnische Teilnehmer präsentierten ihr Land den rund 320.000 Hamburgerinnen und Hamburgern, die die annähernd 100 Veranstaltungen besuchten. Ein Interesse für Polen zu haben, wurde zwar nach wie vor als etwas exotisch, aber aus diesem Grunde von vielen Hamburgern als irgendwie wichtig empfunden. Nur mit großen Schwierigkeiten konnte man mit den „Polnischen Tagen in Hamburg“ die Medien erreichen. Die BILD-Zeitung nahm die Veranstaltung überhaupt nicht zur Kenntnis. Das Hamburger Abendblatt berichtete am 29. August über die Eröffnungsfeier im Rathaus: „Wir wollen, dass die Menschen in unserem Lande besser und wohlhabender leben“, sagte der polnische Außenhandelsminister Prof. Dr. Jerzy Olszewski gestern Abend im Hamburger Rathaus anlässlich der Eröffnung der „Polnischen Tage“. Der Senat hatte rund 1000 Gäste eingeladen; etwa 700 kamen. Olszewski: „Wir wünschen eine breite internationale Zusammenarbeit, um vorhandene Möglichkeiten besser auszunutzen. Wir verfügen über gutausgebildete Fachleute in der Industrie, über ein stets modernisiertes Produktionspotential, über Energiequellen und einige wichtige Naturschätze. Hamburg sei in Polen wohlbekannt. Man erinnere sich gern vieler Initiativen zur Aufnahme der Zusammenarbeit.“ Zuvor hatte Bürgermeister Hans-Ulrich Klose gesagt, die „Polnischen Tage“ seien für die Bevölkerung ein interessantes Programm vielfältiger Darstellung, für die verantwortlichen Politiker jedoch zugleich ein Appell für ein besseres gegenseitiges Verständnis.“ Sonst aber tat sich das „Hamburger Abendblatt“ und die „BILD“- Zeitung in den ersten Tagen mit dem Berichten sehr schwer. Obwohl die Veranstaltungen gut besucht wurden, fanden sie einfach für diese beiden Zeitungen zunächst gar nicht statt. Da musste gegengesteuert werden. Mitglieder der DPG wurden animiert, bei den Redaktionen anzurufen, um dort nach den polnischen Veranstaltungen zu fragen. Glücklicherweise gab es einen sehr großzügigen Vertrag mit der Hamburger Außenwerbung und sehr viele Plakate aus Polen. Es wurde geklebt und geklebt, so dass zum Schluss über 111.000 Plakate an Litfaßsäulen und Stellwänden hingen. Diese Flut scheint die damalige Redaktion des Abendblattes überzeugt zu haben. Die kritische Schwelle war überschritten. Die Hamburger und die Umlandbewohner erhielten auch Kenntnis von den Veranstaltungen aus der Presse. (Gerd Hoffmann, 1997) 4.5.3 Hamburger Tage 1977 in Danzig/Gdańsk Vor der Eröffnung der Veranstaltung berichtete am 4.März das „Hamburger Abendblatt“: „Das Abkommen über die „Hamburger Tage“ in Danzig (19. bis 29. Mai): Gestern unterschrieb im Beisein des Vizepräsidenten der Hafenstadt Danzig, Kazimierz Rynkowski, Hamburgs Erster Bürgermeister Hans-Ulrich Klose den Vertrag über diese von Hamburg ausgerichtete größte Repräsentationsschau der Republik Deutschland in Polen. Bei der Gelegenheit erinnerte Rynkowski an die „Polnischen Tage“ in Hamburg vor zwei Jahren. So herzlich wie damals die polnischen Gäste in Hamburg aufgenommen wurden, wollen jetzt die Einwohner von Danzig/Gdansk die Besucher aus der Hansestadt aufnehmen. Zu der Schau wird eine 700-köpfige Hamburg-Delegation nach Danzig reisen(…). Die Durchführung der Veranstaltung wurde überschattet von der Entscheidung der polnischen Regierung, dem Redakteur des „Hamburger Abendblattes“ Egbert A. Hoffmann ohne Angabe von Gründen das Einreisevisum zu verweigern. Entsprechend konzentrierte sich die Berichtserstattung der Hamburger Medien auf diesen Zwischenfall. Offensichtlich wirkte die Intervention des Hamburger Bürgermeisters und das Visum wurde ausgestellt. Am 19. Mai konnte die feierliche Eröffnung der „Hamburger Tage 77“ in Danzig stattfinden. Eine einmalige „Luftbrücke“ der polnischen Fluggesellschaft LOT beförderte den größten Teil der Repräsentanten der Freien und Hansestadt Hamburg in die polnische Ostseemetropole. Am 20. Mai berichtete das „Hamburger Abendblatt: „Die „Hamburger Tage“ in Danzig sind, von der Öffentlichkeit stark beachtet, wie vorgesehen eröffnet worden. Sie sollen auf Wunsch der Bürgerschaftsfraktionen der Begegnung von Menschen dienen und zum Frieden zwischen dem polnischen und dem deutschen Volk beitragen. Das hier ein langer mühsamer Weg zu gehen ist, hat das spektakuläre Hin und Her um das Einreisevisum für den Abendblatt-Redakteur Egbert A. Hoffmann gezeigt.“(…)“ Die Schirmherrschaft hatten Danzigs Stadtpräsident Andrzej Kasznowski und Hamburgs Bürgermeister Hans-Ulrich Klose gemeinsam übernommen. In der Großhalle in Oliwa wurde eine Hamburger Leistungsschau gezeigt; ein Informationsstand der Bundesregierung ergänzte diese Darstellung und zog mit einem „Deutschen Quiz“ viele Besucherinnen und Besucher an. John Neumeiers Ballett-Compagnie mit Gustav Mahlers „Dritte Symphonie“, das Deutsche Schauspielhaus mit Georg Büchners „Dantons Tod“ und James Last mit seinem Orchester begeisterten die Bevölkerung Danzigs, die auch durch das Rahmenprogramm mit Jazzkonzerten, Auftritten des Hamburger Jugendorchesters, Sportveranstaltungen, Hamburger Küche in drei Restaurants und in Informations- und Diskussionsveranstaltungen vieles über den Alltag in Hamburg erfahren konnte. Die Organisatoren der Senatskanzlei und der Deutsch-Polnischen Gesellschaft Hamburg konnten mit rund 220.000 Besucherinnen und Besuchern der 111 Veranstaltungen mehr als zufrieden sein. Der Bericht im SPD-Pressedienst von Paul D. Vogel, dem Leiter der Staatlichen Pressestelle der Freien und Hansestadt Hamburg, vom 2. Juni schilderte zutreffend das Ereignis: „Was die Hamburger in Danzig und gegenüber Polen in einem Prozess des Gebens und Nehmens erreicht haben, ist bei aller Nüchternheit in der Beurteilung jedes einzelnen Schrittes auf dem immer noch hindernisreichen Weg der Normalisierung gar nicht hoch genug einzuschätzen. Wichtig ist vor allem: An diesem Unternehmen waren alle drei in der Hamburger Bürgerschaft vertretenen Parteien beteiligt. Polen wie Deutsche haben gelernt, dass man solche Veranstaltungen durchaus erfolgreich zustande bringen kann, wie groß auch die Unterschiede in Politik und Wirtschaft sind. Hamburg hat seine seit langem eingenommene Vorreiterposition im Prozess der Normalisierung der Beziehungen zu Polen einmal mehr bestätigt. Dabei sind sich der sozialliberale Senat wie auch die an der Durchführung der Hamburger Tage beteiligten Bürger aus allen politischen Lagern der Stadt darüber im Klaren, dass es hier nicht um eine Sonderrolle für Hamburg geht, sondern darum, die Verträge mit Leben zu erfüllen, welche die Bundesregierung abgeschlossen hat. Ganz wesentlich zum Erfolg beigetragen haben zwei Dinge: Zum einen das hartnäckige und zielstrebige Wirken der Deutsch-Polnischen Gesellschaft Hamburg, zum anderen der Beschluss des Hamburger Schulsenators Apel (SPD), Lehrbücher für den Unterricht nur zuzulassen, wenn sie dem Geist des deutsch-polnischen Kulturabkommens entsprechen und die Empfehlungen der deutsch-polnischen Schulbuchkommission berücksichtigen. Und noch eines ist wichtig: Das, was Hamburg erreichen wollte, nämlich einen Durchbruch für […]
Jubiläum
DPG-Geschichte-Jochimsen Deutsch-Polnische Gesellschaft Hamburg – eine ganz persönliche Rückschau Autor: Hanno Jochimsen 1. Dänen und Polen – 1972 2. Überparteilich 1972/3 3. Sprachlosigkeit 1973 4. Wo anknüpfen? 1973/4 5. Erster Besuch in Warschau 1974 6. Hilfreicher Gesprächspartner 1974 7. Zusammenarbeit 1974/5 8. „Die Wacht am Rhein“ 1974/8 9. Überraschendes Angebot 1974 10. Große Verhandlungsrunde 1974 11. Das polnische Konzept 1975 12. Blitzreise nach Danzig 1975 13. Aufgaben für die Mitglieder 1975 14. Drei Gespräche 1975 15. Mediensperre 1975 16. Besuch beim alten Partner 1976 17. Hamburg keine Partnerin 1976 18. Gespräche in Danzig 1976/7 19. Schwieriges Verhandeln 1977 20. Erlebnisse in Danzig 1977 21. Kein Ansatzpunkt danach 1977/9 22. Suche nach Kontakten 1978/9 23. Unerwartetes Gespräch 1979 24. Ein Jugendwerk 1979/80 25. Besuch aus Polen 1979/80 26. Forum in Darmstadt 1980 27. „Polnischer Herbst ’81“ 1981 28. Kriegsrecht 1981/3 29. Erneut in Warschau 1983 30. Langsamer Wandel 1984 31. Forum in Krakau 1985 32. „Dialog“ 1985/6 33. Einzelgänger 1985/9 34. Durchbruch 1988 35. Gedenktag 1989 36. Besuch bei Walesa 1989 37. Die Wende 1989 38. Sitzung in Stettin 1991 39. Lohnte sich die Arbeit? 1. Dänen und Polen Im Januar 1971 – wenige Wochen nach der Unterzeichnung des Warschauer Vertrags vom Dezember 1970 – standen ganz unangemeldet Gerd Hoffmann und Friedrich Riethmüller in meinem Zimmer im Rathaus und erklärten, soeben hätte der damalige Zweite Bürgermeister und Schulsenator Peter Schulz die Schirmherrschaft über die bald zu veranstaltenden „Polnischen Tage“ übernommen. Es sei nun meine Pflicht als stellvertretender Pressesprecher, ihnen bei der Pressearbeit zu helfen. Es war der Anfang einer wechselvollen gemeinschaftlichen Friedensarbeit. Irgendwie entstand ein Vertrauen zwischen uns. Gerade unsere so unterschiedlichen persönlichen Hintergründe ließen die Zusammenarbeit fruchtbar werden. Als Grenzlandbewohner im Landesteil Schleswig – und Angehöriger des ersten „weißen“ Jahrgangs 1930 – fühlte ich mich früh in die deutsch-dänischen Grenzauseinandersetzungen der ersten Nachkriegsjahre einbezogen. Ihnen fehlten – Gott sei Dank – die Schärfe der deutsch-polnischen Auseinandersetzungen vor 1939. Schließlich genügte es, beim Aufeinanderprallen von zwei Demonstrationszügen in Flensburg im September 1948 eine Schaufensterscheibe einzuschlagen, um die Polizei zu rufen, die den ganzen Spuk in wenigen Sekunden hinwegzauberte. Das Krachen der Scheibe, das mich als Signal der Gewalttätigkeit erschrecken ließ, muß auch in Kopenhagen gehört worden sein. Knapp zwei Jahre später wurde ich von Mellemfolkeligt Samvirke, Kopenhagen, zu einem deutsch-dänischen Jugendlager in Kiel eingeladen. Es war der „Zwischenvölkischen Zusammenarbeit“ gelungen, viele „Streithähne“ beider Nationalitäten von jeweils beiden Seiten der Grenze zu gemeinsamer Arbeit und gemeinsamen Diskussionen für einen ganzen Monat zu versammeln. Hier lernte ich, Frieden über die Grenze zu schließen – ein Erlebnis, das ich schließlich in meiner Dissertation aufarbeitete – und das mich noch immer beschäftigt. Geschichtlich waren die Auseinandersetzungen in Schleswig um die Jahrhundertwende nur aus der preußischen Politik gegenüber den Polen in Schlesien und Posen zu verstehen. Schließlich waren Dänen und Polen die beiden Minderheiten, die den Gebietsstand Preußensangriffen und gegen die es sich wehrte. Das Begehren der beiden, die in mein Zimmer getreten waren, traf bei mir also auf einiges historisches Wissen über deutsch-polnische Zusammenhänge und auf den Wunsch, nun nicht nur gegenüber dem Nachbarn im Norden, sondern auch gegenüber dem im Osten die Grenzen abzubauen. Jahrelange Verständigungsarbeit zwischen den Nationen in den USA und an Bord von Flüchtlingsschiffen auf dem Atlantik hatten einen Erfahrungsschatz geschaffen, auf dem ich ebenfalls vertrauen konnte. Schließlich wußte ich, daß Nationen nicht weggezaubert werden können, wie die vor uns lebende Generation wohl gemeint haben muß und dabei Völkermord als selbstverständlich ansah – daß die Polen also immer Nachbarn der Deutschen und die Deutschen selber nur eine begrenzte – wenn auch unbestimmte – Zeit geteilt sein würden. Die Polnischen Tage in Hamburg 1971 hatten Appetit auf das Land gemacht. Meine damalige Frau und ich beschlossen, so bald wie möglich nach Polen zu reisen. Das Land hatte ich bereits zweimal aus dienstlichen Gründen besucht. Im Jahre 1962 die Posener Messe und 1963 die Hafenstadt Danzig. Es waren aber immer nur kurze Reisen gewesen. Nach der Unterzeichnung des Warschauer Vertrages – aber vor seiner Ratifizierung – waren für Deutsche Gruppenreisen möglich. Für die Polen war es eine Zeit der vorsichtigen Annäherung: Gruppen ja, Einzelne nein. So schlossen wir uns „Dr. Tigges“ an und fuhren vierundzwanzig Tage mit dem Bus durch das ganze Land. Es wurde eine Fahrt ohne jeden Stress. Später ist mir nie mehr möglich gewesen, so ohne jeden Termindruck und ohne Verpflichtungen durch das Land zu fahren. Wir genossen die Küche – damals waren Lebensmittel anscheinend noch nicht knapp. Wir bewunderten die kulturellen Schätze, die die Kriegswirren überlebt hatten. Wir waren von dem Ausmaß an künstlerischer Freiheit beeindruckt. Wenn man zuvor intensiv die Sowjet-Union bereist hatte, war man verblüfft über den polnischen „sozialistischen Realismus“, der sich – zumindest – vor unseren Augen verbarg. Wir erlebten ein großes Ausmaß an künstlerischer und individueller Freiheit. Hinzukam eine Offenheit und Herzlichkeit bei den Menschen, die uns begneten, für die ein Beispiel stehen mag: Die Hamburger Veranstaltung im Jahre 1971 hatte für die polnische Agentur INTERPRESS, eine staatliche oder halbstaatliche Organisation, deren damaliger Chefredakteur Henryk Tycner betreut. Wir waren übereingekommen, daß, wenn ich einmal nach Polen käme, ich ihm doch Nachricht geben solle. Vor Abfahrt nach Polen schrieb ich also eine Postkarte, daß wir an einem bestimmten Tage Warschau besuchen würden. Da ich nichts gehört hatte, meinte ich die Sache auf sich beruhen lassen zu sollen. Aber es kam anders. Als wir nach einer Besichtigung des Schlosses Wilanów in der „Schmiede“ einem bekannten Restaurant saßen, erschien Henryk Tycner mit Irena Poszajska, ebenfalls von INTERPRESS, voller Vorwürfe, daß man uns nicht vorher gefunden hätte und dabei hätte man doch alle Grenzstationen telefonisch abgefragt. Nur der Tatsache, daß das Sammelvisum für alle vierundzwanzig Businsassen aus einem rätselhaften Grund in meinem Paß eingetragen war, hatten wir es also den mittäglichen Besuch zu verdanken. Wir haben anschließend Stunden und Stunden im Gespräch miteinander verbracht. Es endete schließlich um vier Uhr morgens in der Bar des Hotel Europejski. So intensive Gespräche waren wir aus Deutschland nicht mehr gewöhnt. – Heute begegne ich ab und zu dem Sohn, Janusz Tycner. Die Erinnerung an diese Begegnung ist immer noch lebendig und gegenwärtig. Verständigung mit Polen suchen, wollte ich nicht nur, weil ich dieses Land, seine Kultur und seine Menschen schätzen gelernt hatte, sondern auch, um dem eigenen Land zu helfen. Ohne den Frieden mit Polen war kein dauerhafter Frieden für die Deutschen zu erwarten und eine Wiederholung der Ereignisse der letzten zwei Jahrhunderte – von den Teilungen Polens bis zum Vernichtungsangriff 1939 – nicht auszuschließen. Sodann konnte man beim Aufbau der Beziehungen zu Polen langfristig und in historischer Sicht etwas sinnvolles gegen die Teilung des eigenen Landes tun. Das hat zu jener Zeit kaum jemand gesehen – auch nicht der Erste Bürgermeister Peter Schulz – als er vom Vorstand der Gesellschaft Oswald Beck, den leider inzwischen verstorbenen früheren CDU-Bürgerschaftsabgeordneten, Friedrich Riethmüller sowie Gerd Hoffmann – beide SPD – und mich – damals F.D.P. – im Rathausehrenhof traf und fragte: „Was ist dies für eine seltsame Koalition?“ Und als ich bei etwas späterer Gelegenheit vom gemeinsamen Engagement für den Frieden mit Polen sprach, antwortete er etwas leise: „Es sind doch alles Bolschewisten – was wollen Sie da?“ 2. Überparteilich Da aber hatten wir schon unsere ersten Schritte gemacht und sahen eine Perspektive. Zunächst war es darum gegangen, den moralisch-ethischen Anspruch unserer Gesellschaft zu formulieren. „Wir rufen auf zum Frieden mit Polen!“ entstand in der Wohnung von Annaliese Wulf, die zusammen mit Gerd Hoffmann Motor des Deutsch-Polnischen Arbeitskreises – dem Vorgänger unserer Gesellschaft – gewesen war (abgedruckt im Anhang). Dort haben wir um die richtigen Worte hart gerungen, zugleich aber auch gemerkt, wie weitgehend wir – trotz ganz unterschiedlicher politischer Hintergründe – übereinstimmten. Leider verließ Annaliese Wulf, die als Reiseschriftstellerin für den Frieden zwischen Deutschen und Polen Feuer gefangen hatte, sehr bald Hamburg und trat bei der Wahl des ersten regulären Vorstandes auch nicht mehr an. Diese aber endete mit einer Überraschung und verbreiterte die Basis der Gesellschaft ganz erheblich. Im Verlaufe der Versammlung kritisierte Oswald Beck die für ihn einseitige politische Zusammensetzung des Gründungsvorstandes. Der Verweis auf mich, der ich inzwischen mitgearbeitet hätte, vermochte ihn ebenfalls nicht zu beruhigen, weil ich doch zum Koalitionspartner in Bonn und Hamburg zählte. Die Versammlung begriff die Chance, eine wichtige politische Gruppe zu integrieren und wählte ihn in den Vorstand. Wir haben harmonisch über die Parteigrenzen zusammengearbeitet, wenn wir auch niemals Beschlüsse gefaßt haben, die die Schmerzgrenze bei einem von uns angetastet hätte. Vorgeführt, solche Beschlüsse zu fassen, wurden wir häufig genug, sowohl aus DKP beeinflußten deutschen als auch aus polnischen Ecken. Das hat manchmal Ungeduld unter den Mitgliedern geschaffen. Der gegenüber galt es aber standzuhalten, denn unsere breite Basis war und ist das wichtigste Gut für das Handeln der Gesellschaft und bewahrte sie vor innerpolitischen Angriffen. Zudem war die Zusammenarbeit mit dem aus Bielitz (Bielsko-Biaa) stammenden Oswald Beck, der sich über polnische Familienangehörige empört hatte, deshalb vertrieben wurde, aber nun den persönlichen Frieden suchte, außergewöhnlich fruchtbar. Er kannte die polnische Psyche. Von ihm haben wir viel gelernt. 3. Sprachlosigkeit Kurze Zeit nach meiner Wahl zum Vorsitzenden erreichte mich die Bitte eines mir bis dahin unbekannten Jan Dolny, ihm bei der Ausrichtung einer deutsch-polnischen Veranstaltung in der katholischen Kirche in Hamburg-Hamm zu helfen. Ich bot ihm einen Vortrag mit Dias an, die ich während einer der ersten Polenreisen mit „Dr.Tigges“ im Juni 1971 aufgenommen hatte. Es war eine der ersten in das Nachbarland überhaupt gewesen, und Dias über Polen hatten Seltenheitswert. Was ich jedoch in Hamm antraf, hat mich tief erschüttert: Der erst 1957 und nach seiner polnischen Schulausbildung aus Schlesien ausgesiedelte Schiffbauer Jan hatte es aus eigener Berufung übernommen, die neuen Generationen von ausgesiedelten Jugendlichen zu betreuen, die im Aufnahmelager Finkenwerder lebten. Nun waren sie für einen Nachmittag nach Hamm gekommen und hatten in einem Kellerraum der Kirche eine Ausstellung von Postkarten arrangiert. Für jede der damaligen Wojwodschaften war eine kleine Kabine geschaffen worden, in der die nur polnisch sprechenden Deutschen jeweils „ihre“ Wojwodschaft mit Postkarten dargestellt hatten. Auf der anderen Seite des Kellergangs machten sich der polnischen Minderheit angehörende – und unter sich nur deutsch sprechende – Jugendliche für einen Volkstanzauftritt mit ihrer Billstedter Gruppe „Krakowiak“ fertig. Über den Kellergang fanden keine Gespräche statt. Die Atmosphäre war voller Haß. Man hörte Warnungen vor einander – in deutsch vor den Deutschen, in polnisch vor den Polen. Eine seltsame Welt, die jedoch die Beziehungen zu Jan Dolny auf der einen Seite – der bald ein Mitstreiter in der Gesellschaft wurde – und zur polnischen Minderheit andererseits wachsen ließ. Das Erlebnis zeigte, welche Aufgaben uns in Hamburg erwarteten. 4. Wo anknüpfen? Was tut man aber nun mit einer Gesellschaft, die Beziehungen zu Polen will, wenn es keinen Ansatz gibt, im – durch den Kordon der DDR abgeschirmten – Nachbarland überhaupt gehört zu werden? Nach den 25 Jahren des Schweigens von 1945 bis 1970 zwischen beiden Völkern, der „Hallstein-Doktrin“, dem gegenseitigen Mißtrauen und den Unterschieden in den Gesellschaftsordnungen, gab es keine eingefahrenen Wege, auf denen sich so einfach Kontakte knüpfen ließen. Der neue Vorstand – allen voran sein unermüdlicher Geschäftsführer Gerd Hoffmann – machte sich daran, zu jeder Gruppe aus Polen, die Hamburg besuchte, Kontakt aufzunehmen und sie zu einem Gespräch bei bescheidenem Kaffee und trockenem Kuchen einzuladen und dabei die Gesellschaft vorzustellen. Dieses Vorgehen trug nach einiger Zeit Früchte. Irgendwie hatte es sich wohl in Polen herumgesprochen, daß es da in Hamburg eine bemerkenswerte Gruppe gab. Anknüpfen konnten wir dabei außerdem an die Kontakte, die Otto Wagner als Stellvertretender Leiter des Studienseminars und späteren Instituts für Lehrerfortbildung geschaffen hatte. Mit der polnischen Lehrergewerkschaft war der jährliche Austausch von Reisegruppen schon gegen 1964 vereinbart worden. Wir gaben für die polnische Reisegruppe einen Empfang. Den ersten, aus dem sich eine jahrelange Tradition entwickelte. Lehrer sind schließlich für das Verhältnis zwischen Völkern ganz besondere Multiplikatoren. Geholfen hat uns ebenfalls die Katholische Akademie Hamburg mit ihrem Direktor Günter Gorschenek, der uns oft einlud, wenn er polnische Gäste hatte. Die Akademie war – wie wir bald herausfanden – der Anlaufpunkt für den nach oder über Hamburg reisenden polnischen Klerus. Unter den Gästen waren ebenfalls häufig Professoren der Katholischen Universität Lublin, unter ihnen Professor Nossol, der heutige Erzbischof von Oppeln. Voller Abenteuer waren die Erlebnisse, die sich aus der Bitte einer Hamburger Galerie ergaben, in die Ausstellung der polnischen Künstlerin Alicja Wahl einzuführen. Nach einem langen Gespräch mit der Künstlerin überraschte die Vernisage. Sie war zu einem Treffen der von Kopenhagen bis nach Paris verstreuten jüdischen Exilanten geworden, die Polen 1968 /69 verlassen mußten und nun Wiedersehen mit ihrer Freundin feierten. Ein anderer Ansatzpunkt, die Aufgaben der Gesellschaft zu erfüllen, war, die Hamburger mit dem Nachbarland, seinen Menschen, seinen Problemen, seiner Geschichte und ebenfalls den erschreckenden Hinterlassenschaften des Nazi-Terrors vertraut zu machen. Dazu wollten wir Reisen organisieren. Alle waren wir begeistert von Fahrten nach Polen zurückgekommen, fasziniert von der Feinfühligkeit, mit der man uns begegnet war, bereichert von der Kreativität in allen künstlerischen Bereichen und etwas benommen von der trotz widriger Umstände spürbaren Lebensfreude und Gastfreundschaft dieses Volkes. Das Projekt einer gemeinsamen Busreise nach Polen wurde sofort begonnen. Im politischen Bereich wurde diskutiert, daß es nicht nur Reisen des damaligen Kuratoriums für politische Bildung nach Israel, sondern auch solche nach Polen geben sollte. Schließlich würden sich die dortigen Verhältnisse im gleichen Maße auf die innerhamburgische Politik auswirken wie die in Israel. Das Kuratorium beschloß deshalb, sich mit einem ansehnlichen Kontingent von Teilnehmern und Teilnehmerinnen an der Fahrt zu beteiligen – schon um Erfahrungen für künftige Reisen zu sammeln. Da das Kuratorium selbstverständlich alle politischen Gruppierungen in der Stadt zu berücksichtigen hatte, waren diese auch im Autobus vertreten, mit dem wir – die Südroute – über Breslau und Krakau nach Warschau und über Posen zurück fuhren. Auf welch Widerstände ich als Reiseleiter stieß, zeigte sich beim ersten politischen Treffen in Czstochowa /Tschenstochau: Wer die Volksrepublik Polen etwas kannte, wußte, daß hier die damals einzige Opposition saß, mit der man sprechen konnte, wenn man denn in die Klausur des Klosters eingelassen wurde. Vorbereiten ließ sich ein solcher Besuch nicht, denn die Telefone wurden selbstverständlich abgehört. In das Programm konnte ein solcher Besuch auch nicht aufgenommen werden, weil man nicht wußte, ob das Kloster einen aufnehmen würde, und weil ein solcher Programmeintrag die Gesprächspartner gefährdet hätte. Bemerkenswert war, wie leicht wir vor dem Klausurbesuch den polnischen Begleiter unter einem fadenscheinigen Vorwurf los wurden, und wie schwer es war, einige der eigenen Teilnehmer zu beruhigen. Aus grundsätzlichen Gründen lehnten sie jede Art von Weihrauch und Berührung mit der katholischen Kirche ab und empfanden es als eine Zumutung, mit dem konfessionsneutralen Kuratorium in ein Kloster verschleppt zu werden. Wer jedoch teilnahm, erfuhr etwas über die Akzeptanz – oder besser die Nichtakzeptanz – des Regimes durch die Bevölkerung, denn das Kloster verfügte über eine effiziente soziologische Forschungsabteilung. Bei ihren Befragungen konnte sie auf alle Kirchengemeinden des Landes zurückgreifen. Mehr und mehr bestürzt von dem, was sie während der Fahrt erlebten, war das Ehepaar Lisi und Adolf Vogel. Sie hatte schon seit einiger Zeit vergeblich versucht, für die Hamburger Frauenverbände eine Fahrt nach Polen zu organisieren, was ihr aber stets von der Kölner Botschaft abgelehnt wurde. Er, der Historiker, erfuhr, wie sehr die gemeinsame Geschichte, das Deutschlandbild der Polen prägte, und wie wenig über die polnische Geschichte von seiner Generation gelehrt worden war. Beide haben sich danach der Arbeit der Gesellschaft gewidmet – sie immer einsatzbereit im Vorstand und er mit Vortragszyklen zur polnischdeutschen Geschichte. 5. Erster Besuch in Warschau In Warschau wurde die Gruppe im Außenministerium empfangen, wo der zuständigen Abteilungsleiter einen Vortrag über die polnische Deutschlandpolitik hielt. Verblüfft war ich, als er von drei Objekten dieser Politik sprach, nämlich der DDR, der Bundesrepublik und „Deutschland als Ganzem“, ein Begriff, der im Osten eigentlich verpönt war. Irgendwie muß der Diplomat seiner Zeit zu weit voraus gewesen sein, denn kurze Zeit später erfuhren wir, daß er als Botschafter nach Tunis gegangen sei. Besuche im polnischen Außenministerium sollten in den nächsten zehn Jahren an der Tagesordnung bleiben. Schließlich wurde dort bestimmt, ob und zu welchen Zwecken wir einreisen durften. Ein Visa zu erhalten, war keine Selbstverständlichkeit. Regelmäßig haben wir aber auch immer die Botschaft der Bundesrepublik im Stadtteil Praga besucht – schon um zu informieren und keinen Verdacht im eigenen Land aufkommen zu lassen. Während dieser ersten Reise trafen wir auf den jungen Legationsrat Frank Elbe, damals II. Sekretär an der Botschaft, der es heute bis zu den höchsten Positionen im Auswärtigen Amt geschafft hat. Im kleinen Kreis sagte er damals: Sie werden es schwer haben, Gesprächspartner in diesem Land zu finden. Ein Satz, der mir sehr Erinnerung geblieben ist, weil er nicht nur unsere Situation, sondern in jener krisenhaften Zeit – Helsinki mit dem Gierek-Schmidt-Abkommen war noch fern – ebenfalls die Botschaft betraf. In den nächsten Jahren haben wir immer wieder dafür gesorgt – sehr zum Leidwesen unserer oft frustrierten polnischen Partner -, daß Vertreter der Botschaft an unseren Gesprächen teilnahmen. 6. Hilfreicher Gesprächspartner Im April 1974 tauchte mit Jozef Dubiel, dem damaligen Generalsekretär von INTERPRESS in Warschau, ein sehr kompetenter Gesprächspartner auf. Er war nach Hamburg als Gast von Internationes e.V., Bonn, gekommen, einem Verein im Einflußbereich des Auswärtigen Amtes. Und Interpress erfüllte teilweise die gleichen Aufgaben auf polnischer Seite. Dubiel kam wie viele von der Bundesregierung eingeladene journalistische Gäste damals zu mir in die Staatliche Pressestelle ins Rathaus. Er wußte aber genau, daß er ebenfalls den Vorsitzenden der Deutsch-Polnischen Gesellschaft Hamburg vor sich hatte. Wir sprachen über das Projekt „Polnische Tage in Hamburg“, das kurz zuvor im Namen einer anderen Deutsch-Polnischen Gesellschaft von einer Düsseldorfer Werbeagentur an die Senatskanzlei herangetragen worden war. Die Senatskanzlei hatte aber uns zum Gespräch hinzugezogen und darauf bestanden, es nur mit der heimischen Gesellschaft durchführen zu wollen. Nun war es irgendwie liegen geblieben. Nach dem Besuch begleitete ich Dubiel – um besonders höflich zu sein – zu seinem nächsten Termin im Spiegelhaus. Mitten auf einer Straßenkreuzung auf „grün“ wartend und im großen Lärm fragte er mich, ob ich denn die „Polnischen Tage in Hamburg“ wolle. Was ich bejahte, worauf er mir andeutete, daß ich aus Polen hören würde. Unmittelbar kamen mir die äußeren Umstände dieses Frage- und Antwortspiels seltsam vor. Heute scheint es mir so, als ob es irgendwie „abhörsicher“ sein sollte. In der Tat hat mich unser Verfassungsschutz in den nächsten Jahren immer wieder vor dem „Geheimdienstler“ Dubiel gewarnt. Eingedenk der Aussage, wir würden es schwer haben, überhaupt Gesprächspartner in der Volksrepublik Polen zu finden, hielt ich – und mit mir der Vorstand – den Arbeitskontakt mit Jozef Dubiel über längere Zeit aufrecht. Das war ein Balancieren in mehrfacher Hinsicht. Dem Vorstand – und erst recht den Mitgliedern – konnte ich nichts von den Warnungen des Verfassungsschutzes sagen, denn der hatte sich natürlich Diskretion erbeten. Auf der anderen Seite war dies der einzige reale Gesprächspartner, die man sich damals bekanntlich in Polen nicht aussuchen konnte. In meiner Entscheidung fühlte ich mich bestärkt, weil ich bei Jozef Dubiel spürte, daß er aus ganz persönlichen Gründen zur Verständigung zwischen Polen und Deutschen beitragen wollte und wir uns in unseren Motiven trafen. Später erfuhr ich dann, daß er unter der ersten polnischen Regierung nach dem Krieg Staatssekretär für die West- und Nordgebiete gewesen war und ganz offensichtlich eine Rolle bei der Vertreibung gespielt hatte. Mir schien, als wollte er wohl irgendetwas wiedergutmachen. Dieses Gefühl vermittelte sich mir jedenfalls. Nach außen hin ließ er sich allerdings nichts anmerken. Er beförderte unsere gemeinsamen Projekte auf eine bemerkenswerte Art und Weise gegen viele innerpolnische Widerstände. Andererseits hat er uns nie geheimdienstlich angesprochen – ja, manchmal ahnte ich, daß er uns vor solchen Angriffen anderer beschützte. INTERPRESS blieb durch viele Jahre Ansprechpartnerin für unsere Gesellschaft. Dieses Verhältnis blieb immer zwiespältig, schon weil wir die Verquickungen dieses Instituts und seiner Personen mit Staat und Partei nicht überblicken konnten. Aber selbst wenn man hiervon absah, kann ein dauerhaftes Gespräch zwischen ehrenamtlich engagierten Bürgern einerseits und Beamten andererseits nicht Bestand haben. Aber so hatten wir wenigstens einen Ansprechpartner in Warschau – wenn er auch durchaus nicht unproblematisch war, was wir den Mitgliedern – begreiflicherweise – jedoch nicht offenbaren konnten. 7. Zusammenarbeit Unser Schicksal, Schwierigkeiten beim Aufbau von Beziehungen nach Polen zu haben, teilten wir mit den in Norddeutschland existierenden Gesellschaften gleichen Namens. Es gab außer uns deutschpolnische Gesellschaften in Kiel, Lübeck und Bad Segeberg. Einige ihrer Vorstandsmitglieder hatten uns auf unserer ersten Reise begleitet, so daß eine Atmosphäre des Vertrauens entstanden war. Sehr bald nach der Rückkehr hatten wir beschlossen, uns regelmäßig zu treffen, um uns gegenseitig über unsere Kontakte nach Polen zu unterrichten und um eventuelle polnische Gäste von Gesellschaft zu Gesellschaft weiterzureichen – also so etwas wie einen Ersatz für fehlende Verbindungen zu Polen. Es entstand der Segeberger Arbeitskreis – benannt nach seinem ständigen Tagungsort – die nachherige Arbeitsgemeinschaft norddeutscher Deutsch-Polnischer Gesellschaften, als Gesellschaften unter anderem in Bremen, Göttingen und Hannover gegründet worden waren. Die vierteljährlichen Sitzungen taten über die Jahre der innerstädtischen Zusammenarbeit gut, bereicherten das Programm aller Gesellschaften und halfen, alle Initiativen in Polen bekanntzumachen. Bereits im ersten Jahr wurde das Verhältnis zur Deutsch-Polnischen Gesellschaft e.V. mit Sitz in Düsseldorf heiß diskutiert. Beinahe alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer hatten eine Zusammenarbeit mit dieser Gesellschaft sondiert, sie aber aus Furcht vor Überfremdung ihrer lokalen Interessen verworfen. Dabei hatte eine Steuerung dieser Gesellschaft durch DKP-nahe Kader durchaus eine Rolle gespielt. Sehr bald lag eine Einladung zu einem Gespräch anläßlich der Gründung einer Gesellschaft in Bielefeld auf dem Tisch. Die Sprecher der Norddeutschen kamen dort mit den Düsseldorfern überein, sich gegenseitig zu informieren und gemeinsame Gesprächsrunden mit dem Auswärtigen Amt in Bonn und der Polnischen Botschaft in Köln zu arrangieren, wobei die Norddeutschen für die Kontakte zum Auswärtigen Amt und die Düsseldorfer zu denen der Botschaft verantwortlich sein sollten. Es ist einmal zu einer solchen Gesprächsrunde gekommen. Nur einmal, weil die zuständige Abteilungsleiterin im Auswärtigen Amt den Vorsitzenden der Düsseldorfer mit den Worten beschied, sie halte ihn „für das Sprachrohr des polnischen Gegenstücks zum Presse- und Informationsamt der Bundesregierung“. Etwaiges Vertrauen war ebenfalls zerstört, weil die Düsseldorfer sich unter dem Eindruck des Bielefelder Treffens einen neuen Namen mit übergreifendem Anspruch gegeben hatten. Sie hießen nun: „Deutsch-Polnische Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland“. Sie wollten die Dachgesellschaft sein und wurden in diesem Anspruch von der Botschaft der Volksrepublik Polen unterstützt. Das Verhältnis zu den „Düsseldorfern“ hat auf Jahre die Gespräche im Arbeitskreis beherrscht. Es tauchten dort und in den einzelnen Gesellschaften agents provocateurs auf, denen, weil sie verdeckt auftraten, auch nur verdeckt entgegengetreten werden konnte, was in Mitgliederversammlungen nicht immer einfach war. Konsens war jedoch, daß man sich nicht fremdbestimmen lassen wollte und der Kreis der Mitarbeitenden örtlich überschaubar sein sollte. Die „Norddeutschen“ sahen keinen Grund für einen Dachverband und sagten, wenn ein solcher angemahnt wurde: Wir kennen das Alphabet und wissen deshalb, welche Gesellschaft einlädt, den Vorsitz hat und die Butterbrote bezahlt. – Außerdem fragten uns die deutschen Stellen immer wieder, ob wir zu „diesen“ oder „jenen“ gehören würden. 8. „Die Wacht am Rhein“ Die Beziehungen zur Botschaft der Volksrepublik unter Botschafter Waclaw Piatkowski gestalteten sich – wie schon angedeutet – nicht einfach. Sie war schließlich von den immer zahlreicheren autonomen Gründungen in den Städten überrumpelt worden. Nach dem sowjetischen Vorbild, das mir eindrucksvoll im Jahre 1973 im Hause „Druschba“ an der Kremlmauer in Moskau vorgeführt worden war, hätten solche Gründungen zentral gesteuert und immer den eigenen Einfluß wahrend vorgenommen werden müssen. Nun versuchte die Botschaft, verlorenen Boden wiedergutzumachen, indem sie auf die „Düsseldorfer“ Dachgesellschaft hinwies. Der Botschafter selber hat nach seiner Rückkehr nach Warschau die Beweggründe seines Handelns in einem Buch mit dem programmatischen Titel „Die Wacht am Rhein“ veröffentlicht. Auszüge hat die Friedrich-Ebert-Stiftung übersetzen lassen. Er sah es als seine Hauptaufgabe an, zu verhindern, daß westliche Einflüsse auf die Volksrepublik Polen übergriffen. Und genau dies wollten wir doch aber. Nun verhandelt man nicht täglich mit dem Botschafter. Für die Gesellschaften waren natürlich Referenten in der Botschaft tätig. Wie ich dann später erfuhr, waren „unsere“ Referenten gleichzeitig aber auch für die DKP zuständig. Welch Wunder, daß sie immer wieder versuchten, ihre beiden Arbeitsgebiete zusammenzubringen. In der Atmosphäre stimmte etwas nicht. Es überraschte uns bei den unterschiedlichen Gesellschaftsordnungen auch nicht. Wir waren jedoch auf die Botschaft angewiesen, wenn wir nach Polen wollten. Wir nutzten deshalb jede Gelegenheit, das Gespräch zu suchen und – wenn es auch schwer fiel – Termine in Köln wahrzunehmen. Regelmäßig wurden wir zum damaligen Nationalfeiertag der Volksrepublik eingeladen. So auch am 22. Juli 1974. Hier erfuhren wir zu unserer größten Verblüffung, daß für uns eine Reise nach Polen unmittelbar bevorstände. 9. Überraschendes Angebot Tatsächlich kam wenige Tage danach die Aufforderung, die Päße zum Visieren einzusenden. Man erwarte uns in Warschau vom 7. bis zum 10. August. Wie aber nun die Reise arrangieren? Um die vier Plätze in meinem Auto zu nutzen, luden wir Werner Graßmann vom Abaton-Kino, damals Vorsitzender der AG Kino e.V., zur Mitfahrt ein, hoffend, es würde ihm in Warschau gelingen, polnische Filme für das Abaton und die westdeutschen Programmkinos überhaupt aufzutun. Oswald Beck wollte aus prinzipiellen Gründen nicht durch die DDR fahren. Alle hatten wir Mühe, uns während der allgemeinen Urlaubszeit von unseren Arbeitsplätzen zu lösen. Zum Glück war damals gerade eine Fährverbindung zwischen Lübeck und Swinemünde eingerichtet worden und die Verbindung war auch einigermaßen passend. Kaum hatte der Senat getagt, sprang ich mit den anderen ins Auto und ab ging die Fahrt nach Lübeck, wo wir die Fähre gerade noch erwischten. Am nächsten Morgen dann der Start zu einer langen ermüdenden Fahrt vom nordwestlichsten Zipfel Polens nach Warschau, wo INTERPRESS für uns Quartier gemacht hatte. Am darauf folgenden Tag der erste Besuch bei Jozef Dubiel und INTERPRESS, die damals noch an der Bagatela residierte – nicht weit vom Außenministerium entfernt, unserer nächsten Besuchsstation. Dort wurde uns vom zuständigen Abteilungsleiter in französischer Sprache eröffnet, daß man Hamburg bitten würde, im nächsten Jahr „Polnische Tage“ zu veranstalten und man der Freien und Hansestadt im Gegenzug anbieten würde, in Danzig eine vergleichbare Veranstaltung zu organisieren.Nun wurde klar, warum Jozef Dubiel so sehr darauf bestanden hatte, daß wir nicht schon nach fünf Tagen wieder abreisen sollten, sondern erst nach sieben. Wir sollten noch Danzig besuchen: „Sie wissen schon warum..“, sagte er. In der Tat war bekannt, daß einer CDU-Delegation im Frühjahr in Danzig der Vorschlag für eine Partnerschaft zwischen Hamburg und Danzig übergeben worden war und daß dieser Brief noch immer unbeantwortet in der Senatskanzlei lag. Selbst wenn wir es gewollt hätten, wäre es nicht möglich gewesen, unseren Polenaufenthalt zu verlängern, dazu waren alle zu sehr verpflichtet, am vorgesehenen Tag wieder in Hamburg zu sein. In der Rathauspressestelle hatte ich beispielsweise Stallwache und hatte mir bei meinem amtierenden Vorgesetzten Urlaub gegen das feste Versprechen geholt, am nächsten Montagmorgen wieder da zu sein. – In Danzig hat man uns die Absage sehr übel genommen – mit der Konsequenz, daß es zur Partnerschaft mit Bremen kam. Damals blieb uns nur übrig, uns zu entschuldigen – auch auf den drängenden Hinweis, der Danziger Stadtpräsident hätte sich gerade diese zwei Tage Zeit genommen, um mit uns zu sprechen. Eins konnten wir jedoch tun: die völlig verblüffte Botschaft von dem Angebot einer Veranstaltung auf Gegenseitigkeit zu unterrichten. Werner Graßmanns und meine Kontakte zu Film Polski hatten glücklicherweise Erfolg. Es wurde nach Großbritannien der zweite ständige Auslandskontakt für die AG Kino. Folgende Filme konnten für das westdeutsche und das Hamburger Publikum beschafft werden: EIFERSUCHT UND MEDIZIN von Janusz Majewski, DER KREUZRITTER von Aleksander Ford und DAS SALZ DER SCHWARZEN ERDE von Kazimierz Kutz über den oberschlesischen Aufstand von 1920 – die letzten beiden interessante Reflektionen des Deutschenbildes der Polen. 10. Große Verhandlungsrunde Erste Einzelheiten sollten im Zusammenhang mit der im Herbst in Essen stattfindenden „Polnischen Nationalausstellung“ besprochen werden. Dort werden wichtige Leute zugegen sein, meinte Dubiel. Da zwischendurch in Hamburg auftauchende polnische Gesprächspartner sich gegenüber der angekündigten Gegenseitigkeit sehr zurückhaltend verhielten, war die Reise nach Essen sehr wichtig. Es war beinahe das ganze INTERPRESS-Büro vor Ort. Man hatte es gerade geschafft, die Ausstellung aufzubauen und war noch immer darüber empört, daß die Eisenbahnzüge mit dem Ausstellungsgut über drei Wochen in der DDR verschollen waren. Angeblich wußte dort niemand, auf welchem Abstellgleis die Waggons standen. Unser Gespräch über die beiden Veranstaltungen fand in einem großen Kreis statt. Den vier Hamburgern saßen etwa 40-50 Polen gegenüber – uns nur zum Teil bekannt. Wortführer war auf polnischer Seite der in der Kölner Botschaft für Kulturfragen zuständige Wodzimircz Gierowski. Dies war auch völlig unproblematisch, solange es um den Fahrplan für die Veranstaltung in Hamburg ging. Für die Polnischen Tage in Hamburg legten wir die hauptsächlich infrage kommenden Bereiche fest. Dabei half uns der stellvertretenden Hamburger Protokollchef Hans-Henrich Dörmer, der uns auch später bei vielen Gesprächen in Warschau und Danzig engagiert begleitete. Inhaltlich schlugen wir vor, Aspekte der polnischen Kultur in den Mittelpunkt zu stellen, die den Westdeutschen bis dahin völlig unbekannt geblieben waren und die uns bei den Besuchen aufs Äußerste fasziniert hatten. Die Krakauer Sezession oder der Krakauer Jugendstil mit dem Dramatiker, Dichter und Maler Stanisaw Wyspiaski als zentraler Figur. Insbesondere die Aufführung seiner „Novembernacht“ im Krakauer Alten Theater hatte es mir angetan. Aus der Mitte der anwesenden Sejmabgeordneten regte sich aber sofort Widerspruch, gegen dieses Stück, das dem polnischen Widerstand und Volksaufstand gegen Rußland im Jahre 1831 gewidmet ist. – Es sei politisch ungeeignet. Als wir dann die Gegenveranstaltung in Danzig ansprachen, stockte Gierowski und sah sich hilfesuchend nach einem jungen Mann unter den Zuhörern um. Nach einiger Zeit erhob er sich und leitete von da an, das Gespräch. Es war Jan Grzelak, zuständig im ZK der polnischen Arbeiterpartei für Propaganda und Ideologie. Und wir bekamen zum ersten Mal einen Einblick in die damals in allen kommunistischen Ländern vorhandene „Arbeitsteilung“: Sichtbar war für die Verhandelnden nur eine Gruppe von Beamten, die denen entsprachen, die man aus westlichen Ländern kannte. Hinter ihnen saßen – im Regelfall unsichtbar – die Parteibeamten, denen sie zu berichten hatten und die alle ihre Schritte kontrollierten. Die Gegenseitigkeit war offensichtlich ein so heißes Eisen, daß die sonst Zuständigen es nicht in ihre Hände nehmen wollten. Grzelak wand sich deshalb zunächst, meinte dann aber, wenn die Gegenseitigkeit angekündigt sei, dann würde sie auch stattfinden. Auf polnischer Seite überlege man nur zur Zeit, ob nicht Stettin ein viel günstigerer Ort sei. Ein Wechsel von Danzig nach Stettin stieß jedoch auf unsere einmütige Ablehnung. Wir vereinbarten, die Gespräche Anfang des nächsten Jahres in Hamburg fortzusetzen, wo dann alles weitere zu vereinbaren sei. Bei mir blieb jedoch der Verdacht, daß die Gegenseitigkeit doch nicht so gesichert war, wie ich es zunächst angenommen hatte. Unmittelbar nach dieser Verhandlungsrunde hatten wir ein denkwürdiges Erlebnis. Wir nahmen teil am Empfang des polnischen Botschafters zum Abschluß der Essener Veranstaltung – dies war der eigentliche protokollarische Anlaß unserer Reise. Ehrenplätze hatten viele Teilnehmer, darunter ganz besonders herausragend natürlich die Botschafter der Länder des sozialistischen Lagers, zu denen ebenfalls die DKP-Führung zählte. Bei soviel Protokoll war es dann doch seltsam, daß der Mensch, den wir soeben als den eigentlich Mächtigen erlebt hatten, sich still in den Saal schlich und auf einer der hinteren Reihen Platz nahm – ganz inkognito. 11. Das polnische Konzept Noch vor Frühjahrsbeginn 1975 traf die zehnköpfige polnische Delegation ein, an der Spitze Grzelak und Dubiel sowie die exzellent deutsch sprechende Oberministerialrätin aus dem Ministerium für Kultur und Kunst Barbara Wojciul-Stokowska. Für die Künstleragentur PAGART – den kaufmännisch handelnden Teil der polnischen Seite – erschien Barbara Sliwiska, die uns dann durch viele Jahre immer wieder begegnete. Die Bürgerschaft hatte inzwischen 400.000 DM für die Polnischen Tage bewilligt und dies ausdrücklich im Hinblick auf die angekündigte Gegenseitigkeit. Das Geld war für die Arbeitsgemeinschaft Hamburg-Information (AHI) vorgesehen, die die Veranstaltung mit unserer ideellen und tatkräftigen Hilfe durchführen sollte. Das mehrtägige Verhandeln konnte also beginnen. Schnell stellte sich heraus, daß Frau Stokowska von unserer Präsentation des Krakauer Jugendstil wenig hielt. Die Idee sei zwar faszinierend. Man müsse aber doch das ganze Land darstellen. Unausgesprochen ging es ihr bei dieser Großveranstaltung darum, zu zeigen, wie tief die kulturellen Wurzeln der Polen im Westen verhaftet sind. Es ging ihr darum, den Hamburgern zu zeigen: „wir sind Euch gar nicht fremd!“ – ein schöner, ganz in unserem Sinne liegender Ansatz. Damit wollte die polnische Seite bewußt einen anderen Weg gehen als bei den Polnischen Tagen in Hamburg 1971. Wie mir Botschafter Pitkowski erklärt hatte, war ihm diese Veranstaltung für die Bedeutung seines Landes zu klein geraten und ihr deshalb nicht würdig gewesen. Sicherlich hatte er auf seine Weise Recht – nur übersah er, daß diese Form der „Tage“ erhebliche lokale Initiativen ausgelöst hatte und in diesem Zusammenhang vielleicht gewichtiger als das nun zu planende Ereignis war. Die aus Warschau eingeflogenen Spezialisten machten einer gemeinsamen Arbeitsgruppe aus Behörden, AHI und Deutsch-Polnischer Gesellschaft Hamburg unter Vorsitz von Senatsdirektor Hans-Herbert Groothoff, dem Hamburger Protokollchef, ihre Angebote und nannten für die einzelnen Programmpunkte an die polnische Seite zu zahlende Preise, die zwar hoch zu sein schienen, die aber angesichts der angekündigten Gegenseitigkeit akzeptabel waren. Die Einzelheiten der ellenlangen Vereinbarung, in der ebenfalls Tagegelder, Unterkunft, Verpflegung, Honorare etc. der polnischen Teilnehmer geregelt wurden, waren in meinen Augen nicht das Problem, über das man sicht aufregen konnte. Es war vielmehr die in meinen Augen nur unvollkommen formulierte Gegenseitigkeit. Insbesondere waren keinerlei ins einzelne gehende Pflichten in Bezug auf die Hamburger Veranstaltung in Danzig festgelegt worden. Mein in Essen noch gewachsenes Mißtrauen in die Ernsthaftigkeit der Gegenseitigkeit schien sich zu bestätigen. Angesichts meiner verschiedenen Rollen als Vorsitzender, stellvertretender Senatssprecher und F.D.P.-Politiker befürchtete ich, für eine unvollkommen ausgearbeitete gegenseitigkeitsvereinbarung politisch haftbar gemacht zu werden. Ich habe mich so bis an den Rand des Scheiterns der Verhandlungen insgesamt gegen eine weiche Formulierung gesträubt. Erst als alle anderen Hamburger Teilnehmer sie für annehmbar hielten, habe ich meinen Widerstand aufgegeben. Der Abend dieses Verhandlungstages klang mit einem gemeinsamen Essen beider Delegationen aus. Bei ihm habe ich übrigens den mir selbst geleisteten Schwur, nie wieder ein Bier zu trinken, gebrochen. Als mich Grzelak aufforderte, mit einem Bier auf unseren Verhandlungserfolg anzustoßen, wies ich zwar auf den Schwur hin, konnte an diesem Tag einen Wunsch angesichts der gehabten Auseinandersetzung nicht abschlagen. 12. Blitzreise nach Danzig Die endgültige Unterschrift unter den vereinbarten Text war dennoch im letzten Augenblick gefährdet. Im Rathaus erreichte uns unmittelbar vor der Unterzeichnung die Nachricht, daß der nach Danzig eingeladene Monteverdi-Chor der Universität plötzlich und ohne jede Vorwarnung ausgeladen worden sei und keine Visa bekäme. Auf die deutschen Partner wirkte dies wie eine beabsichtigte Provokation. Die polnische Delegation war ebenfalls wie vor den Kopf geschlagen. Grzelak bemühte sich um einen telefonischen Kontakt mit Warschau und kam nach ziemlich langen Telefonaten mit der Nachricht zurück, eine unzuständige Stelle hätte die Sache zu veranworten. Der Monteverdi-Chor könne zur beabsichtigten Zeit fahren. Daraufhin wurde das Vereinbarte endlich unterschrieben. Eine schon lange geplante Englandfahrt mit meinem Sohn trat ich am nächsten Tag an. Mit Gerd Hoffmann hatte ich telefonische Kontakte abgesprochen. Nach kurzer Zeit hatte er erfahren, daß der Danziger Chorleiter den Hamburger Chor als Studentengruppe eingeladen hatte, was eine Unterbringung in Studentenheimen, Betreuung durch das polnische Studentenreisebüro vorsah, aber dem Hamburger Chor nicht das Recht gab, in Polen Konzerte zu geben. Allein vom Preis her war dies jedoch ein sehr attraktives Angebot, das Grzelak mit einem Sonderukas nun doch durchgesetzt hatte. Gerd und mir war klar, daß unser Chor von diesen Bedingungen sehr enttäuscht und unsere Gegenseitigkeitsprojekte äußerst gefährdet sein würden. Die Sache mußte aufgefangen werden. Ich rief aus England Dieter Biallas, den Freund und Zweiten Bürgermeister an, ob er zu einer Spritztour nach Danzig bereit sei. Abenteuerlichem war er nie abgeneigt. Ich bat Gerd also, die Visa zu beschaffen, und eilte zurück nach Deutschland. Am Freitag starteten wir nachmittags mit einer Gruppe, die neben Biallas, Gerd und mir aus Oswald Beck und Hans Blank als Vertreter des Kulturamtes bestand. Für zwei von ihnen sollte es zu einer schicksalsträchtigen Reise werden, weil sie in der kurzen Zeit Menschen für ihr Leben begegneten. Im Warschauer Hotel gab es beim Abendbrot, zu dem INTERPRESS die an den Verhandlungen Beteiligten eingeladen hatte, eine intensive und für Dieter Biallas eine kontroverse Diskussion zur Frage, wie weit die Geschichte in die Alltagsbeziehungen zwischen Deutsche und Polen hineinreicht. Am nächsten Morgen ging es dann ganz früh nach Danzig. Es war offensichtlich so früh, daß ein Autofahrer unser Taxi auf einer Kreuzung mit voller Fahrt fast überfahren hätte. Wir kamen mit dem Schrecken davon. In Danzig erwartete uns der Danziger Vertreter von INTERPRESS Alojzy Marchewicz. Er wähnte die Gruppe auf einer Besichtigungsfahrt und hatte dementsprechend ein ins einzelne gehendes Touristikprogramm für uns vorgesehen. Wir hatten unsere liebe Not, ihm zu erklären, daß wir am Kontakt mit unserem irgendwo zwischen Danzig und Zoppot untergebrachten Chor interessiert seien und für diesen etwas erreichen wollten. Die protokollarisch wichtigen Termine wurden aber dennoch wahrgenommen, schon um unseren Partner nicht zu sehr bloßzustellen. Am Nachmittag waren wir schließlich bei den Chormitgliedern gelandet, deren Stimmung – gelinde gesagt – sehr gereizt war. Schließlich halfen aber unsere Erklärungen, der Appell, unsere Verhandlungsposition nicht noch schwieriger zu machen, und die Aussicht auf ein Konzert im Dom von Oliva, Sitz des Danziger Bischofs, die Gemüter zu beruhigen. Eine Einladung der Chormitglieder in das Grand Hotel Zoppot zu einem richtigen Abendessen, das von der Herbergskost ablenkte, trug ebenfalls zur Besänftigung bei. Der Abend endete nach ausgiebigem Tanzen mit einem langen Spaziergang am mondbeschienenen Strand, mit dem wir die Gruppe zu ihrem Quartier brachten. Marchewicz und dem Danziger Chorleiter war es dann tatsächlich gelungen, für den Sonntag Nachmittag ein Konzert im Olivaer Dom durchzusetzen. Die Kirche war brechend voll, obwohl der Termin nur während der morgendlichen Gottesdienste bekannt gegeben worden war. Man spürte, wie sehr das Auftreten des Chors und natürlich sein Gesang die Menschen begeisterte. Der Chor war befriedet. Am Abend war es dann nach Essen, Feiern, Tanzen und Strandspaziergang wieder so spät geworden, daß wir am nächsten Morgen nur mit Mühen das Frühflugzeug nach Warschau erreichten. Es war ein wichtiger kleiner Ausflug – wie so häufig in den Beziehungen zu Polen damals. Und nur Gierowski meinte: Tun Sie mir einen solchen kurzfristig avisierten Besuch eines hochrangigen Politikers nicht noch einmal an! 13. Aufgaben für die Mitglieder Langsam näherte sich der Termin für die „Polnischen Tage in Hamburg“, die Ende August gleichzeitig mit der Messe „Du und Deine Welt“ stattfinden sollten. Es fanden Gespräche zu Detailfragen statt, wie etwa, wo soll der polnische Koch die polnische Kochkunst demonstrieren? Es trafen die ersten Fachleute ein, die Stände aufbauten. Wir waren inzwischen als Arbeitsgruppe in die Arbeitsgemeinschaft Hamburg Information integriert, die zu ihrer Unterstützung bei dieser Aufgabe Gisela Ahuis engagiert hatte. Als Vorstand der Gesellschaft würden wir endlich unseren Mitgliedern – nach soviel „Geheim“diplomatie, über die wir nicht öffentlich sprechen konnten – Gelegenheit verschaffen, sich bei den vielfältigen Aktivitäten zu engagieren und viele Polen kennenzulernen. Das Aufgabenpensum war schier erdrückend. Alle Beteiligten haben es aber bewältigt, ob sie nun Gäste oder Veranstaltungen betreuten oder auf dem Informationsstand bei glühendheißen Messetemperaturen Auskünfte über unsere Arbeit gaben. 14. Drei Gespräche Drei Gespräche sind mir von diesen Tagen in besonderer Erinnerung geblieben: zwei, die mir sehr viel gegeben haben, und eins, das die politische Situation grell beleuchtet, in der die Veranstaltung stattfand: Mit Mieczysaw Rakowski, dem damaligen Chefredakteur von Polityka und späteren Ministerpräsidenten, diskutierte ich im Haus Rissen unter der Moderation Von Theo Sommer von der ZEIT über das, was ich als den sozialpsyhologischen Hintergrund der Konflikte zwischen Polen und Deutschen empfand. Als ich das Thema gegenüber Jozef Dubiel ins Gespräch gebracht hatte, ahnte ich nicht, daß man Rakowski schicken würde. Es wurde eine fruchtbare Podiumsdiskussion, die nicht entlang der schon so oft breitgetretenen politischen Argumente verlief, sondern tiefenpsychologische Interpretationen aufdeckte. Tadeus Róewicz begleitete ich auf dem Rückweg von der Premierenfeier im Thalia-Theater, wo es sein Stück „Auf allen Vieren“ gegeben hatte, zum Hotel. Wir sprachen über die Freiheit im allgemeinen und über die des polnischen Dramatikers im besonderen. Das dritte Gespräch fand mit einem polnischen Diplomaten statt, der sich entschuldigen mußte. Es war das erste und einzige Mal, das ich einen solchen diplomatischen Schritt hautnah erlebte. Die Harburger DKP hatte zu ihrer Feier zum 1.September damit geworben, daß diese mit einer polnischen Musikgruppe im Rahmen der „Polnischen Tage“ stattfinden würde. Wir hatten uns beschwert, weil eine solche Veranstaltung nicht zwischen uns abgesprochen war. 15. Mediensperre Große Schwierigkeiten hatten wir, mit den „Polnischen Tagen in Hamburg“ die Medien zu erreichen. Die BILD-Zeitung nahm die Veranstaltung überhaupt nicht zur Kenntnis. Das Hamburger Abendblatt tat sich in den ersten Tagen mit dem Berichten sehr schwer. Obwohl wir während der zehn Tage über 320.000 Besucher und Besucherinnen gezählt haben, fanden wir einfach für diese beiden Zeitungen zunächst gar nicht statt. Da mußte gegengesteuert werden. Mitglieder wurden animiert, bei den Redaktionen anzurufen, um dort nach den polnischen Veranstaltungen zu fragen. Glücklicherweise gab es einen sehr großzügigen Vertrag mit der Hamburger Außenwerbung und sehr, sehr viele Plakate aus Polen. Es wurde geklebt und geklebt, so daß zum Schluß über 111.000 Plakate an Litfaßsäulen und Stellwänden hingen. Diese Flut scheint die damalige Redaktion des Abendblattes überzeugt zu haben. Während der zweiten Hälfte der „Tage“ wurde so über sie berichtet, wie es die elektronischen Medien schon von Anfang an taten. Die kritische Schwelle war überschritten. Die Hamburger und die Umlandbewohner nahmen Kenntnis. 16. Besuch beim alten Partner Die Polnischen Tage in Hamburg hatten Interesse für die Gesellschaft sowohl in Polen als auch in Hamburg geweckt. Wir merkten es daran, daß wir eine ganze Reihe von Gästen gewinnen konnten, an der Spitze damals Andrzej Szypiorski, der aus seinem Buch „…und sie gingen an Emmaus vorbei“ las, das später unter dem Titel „Die schöne Frau Seidelmann“ auf die deutsche Bestsellerliste kam. Unsere Veranstaltungen waren gut besucht. Ein Interesse für Polen zu haben, wurde zwar nach wie vor als etwas exotisch empfunden, aber aus diesem Grunde von manchen als irgendwie wichtig. Beim Gesprächspartner INTERPRESS folgte kurz nach der Hamburger Veranstaltung ein Wechsel in der Führungsgruppe. Chefredakteur Janusz Moszczeski wurde Kommentator von Trybuna Ludu und später deren Korrespondent in Bonn, Jozef Dubiel wurde Korrespondent von INTERPRESS in Ost-Berlin. Ob dieser Wandel, den wir als Herabstufung empfanden, mit der Hamburger Veranstaltung zusammenhing, haben wir nie ergründen können. Auf jeden Fall hatten wir unseren wichtigsten Gesprächspartner in Warschau verloren und damit auch den Anknüpfungspunkt für die versprochene Gegenveranstaltung in Danzig. In Ost-Berlin angekommen, ließ uns Jozef Dubiel wissen, daß er sich auch unter den veränderten Umständen als im Wort befindlich empfände. Schließlich habe er in Warschau genügend Verbindungen und, falls es notwendig sein sollte, möchten wir doch gerne Kontakt zu ihm aufnehmen. Irgendwie empfanden wir die Notwendigkeit im Herbst 1976 aber auch das Bedürfnis, den alten Partner wiederzusehen. Oswald Beck, Gerd Hoffmann und ich machten uns also auf den Weg, Dubiel in seiner Ostberliner Wohnung zu besuchen, die einen Steinwurf vom Übergang Heinrich-Heine-Straße entfernt lag. Für Oswald Beck war es eine Überwindung, den Ostsektor zu betreten, – und ein bißchen mußte er ja doch wider den Stachel löcken, indem er einen „Spiegel“ mitsichführte, den ihm die Zöllnerin mit den Worten „Sie wissen doch…“ abnahm und in den Reißwolf warf. In diesem Fall wollte Dubiel – verständlicherweise – uns nicht im Westen treffen, was für ihn ja durchaus möglich gewesen wäre. Mit der Versicherung, in Warschau für uns anzuklopfen, endete der Besuch. – Wir haben Jozef Dubiel danach nicht mehr wiedergesehen. Der Kontakt war leider abgerissen. 17. Hamburg keine Partnerin Das Jahr 1976 war in den deutsch-polnischen Beziehungen bestimmt vom Besuch des Staats- und Parteichefs Edward Gierek bei Bundeskanzler Helmut Schmidt. In Hamburg zeigte Schmidt seinem Gast die private Wohnung in Langenhorn. Dort sollen sie sich dem Vernehmen nach auf vier bis fünf Städtepartnerschaften und das Deutsch-Polnische Forum geeinigt haben. Sowohl die Partnerschaften als auch das Forum haben übrigens ihre Schöpfer politisch überlebt und sind durch alle Jahre hindurch Brücken zum Verständnis zwischen beiden Völkern gewesen. Leider waren wir Hamburger nicht dabei. Nach dem Gierek-Besuch wurde zwar intern zwischen Rathaus und Handelskammer über eine Partnerschaft diskutiert. Die Handelskammer war aber ablehnend – eine Haltung die sich verstärkte, als Haifa zusätzlich als Partnerstadt Hamburgs ins Gespräch gebracht wurde. Man hielt mit der Begründung, wir treiben Handel mit der ganzen Welt und wollen niemanden bevorzugen, die bestehenden Partnerschaften mit Marseille und Leningrad sowieso für Sündenfälle. Hamburg ließ es sich damals nicht nehmen, den Gierek-Besuch wie einen Staatsbesuch zu zelebrieren. Zum feierlichen Empfang im Großen Festsaal wurden – dank unserer Bemühungen – viele Mitglieder eingeladen. Bei dieser Gelegenheit konnten wir die Gesellschaft vorstellen, was angesichts der vielen Journalisten und Beamten aus Polen sehr wichtig war. Für mich brachte der Abgleich der polnischen und der rathäuslichen Hierarchien es mit sich, daß ich zum Ehrenbegleiter des polnischen Vizeaußenministers Jozef Czyrek bestimmt wurde. Nun saß ich während der vielen Autofahrten im Konvoi neben ihm, und natürlich habe ich immer wieder von unserer Gesellschaft und ihren Aktivitäten berichtet. So intensiv, daß ich noch nach Jahren an diesen Kontakt anknüpfen konnte. Während des Besuches war die polnische Seite im übrigen so euphorisch, daß man mir bereits einen Herrn aus der Begleitung als den künftigen Konsul in Hamburg vorstellte. Bis zur Gründung einer konsularischen Vertretung sollte jedoch noch mehr als ein Jahrzehnt vergehen – eine Zeit, in der wir immer wieder Aufgaben vor Ort übernahmen, die eigentlich von ihr zu bewältigen gewesen wären. Dazu gehörte es in späteren Jahren auch, eine Delegation aus dem Warschauer Außenministerium zu besänftigen, die völlig unzufrieden mit den Häusern war, die ihnen die deutsche Seite für ein Konsulat angeboten hatte. 18. Gespräche in Danzig Langsam begann unser Bohren bei Dubiel, Czyrek und der Kölner Botschaft doch Früchte zu tragen. Mitten im Winter kam eine Einladung nach Warschau und Danzig. Zunächst sollten wir über die Möglichkeiten Danzigs informiert werden – also die Größe der Bühnen, Ausstellungsräume (hierunter die Eissporthalle in Oliva), Unterkünfte usw. Die Zahl der Anschlagtafeln war gering. Dementsprechend sollten wir nur verhältnismäßig wenig Plakate liefern. Im Gegenzug wurde eine größere Zahl von Druckschriften zugestanden, die die polnische Seite sich jedoch vor dem Druck ansehen wollte. In einer zweiten Runde sollten dann die eigentlichen Verhandlungen folgen. Als Termin der Hamburger Tage wurde mit dem Vizepräsidenten von Gdask Kazimierz Rynkowski der Zeitraum zwischen Himmelfahrt und Pfingsten 1977, vom 19. bis zum 29. Mai, festgelegt. Noch war jedoch tiefer Winter. Zum Abschluß unserer Gespräche wurden wir von Rynkowski zu einer Schlittenfahrt durch die Kaschubei eingeladen, die mit einem großen Lagerfeuer endete, um das getanzt wurde und in dem wir Würstchen grillten. Vorher war mein Schlitten jedoch abgeglitten und umgefallen. Zum Glück geschah weder Menschen noch Pferden bei diesem Unfall etwas, weil der Schnee weich und hoch war – ein Erlebnis über das später noch viel geschmunzelt wurde. Ich war nämlich auf den neben mir sitzenden Hand Blank gefallen und hatte es mit Rücksicht auf ihn nicht gewagt, mich zu rühren. Vielleicht wäre ihm ja doch ein Knochen gebrochen meinte ich. Er dagegen muß doch sehr unter meinem Geicht gelitten haben. 19. Schwieriges Verhandeln Es folgte die zweite Reise nach Danzig. Sie führte uns zunächst nach Warschau, wo wir mit ernster Miene von Rynkowski, dem Danziger Vizepräsidenten, erwartet wurden. Die polnische Seite war sich völlig uneins, wer denn nun für die Hamburger Veranstaltung in Danzig zu zahlen hatte. Wir wurden benötigt, um die staatliche Konzertagentur PAGART zu überzeugen – oder vorzuführen, wie immer man es will. Jetzt rächte sich, daß PAGART bei der Vorbereitung der Hamburger Veranstaltung sehr hohe Preise für die Theateraufführungen und Konzerte verlangt hatte. Wir forderten für die Hamburger Ensemble vergleichbare Summen und Honorare, die PAGART offensichtlich in Schwierigkeiten brachten. Wir argumentierten: „Sind unsere Orchester und Schauspielgruppen etwa nicht so gut wie Eure?“ – ein Vorbringen, dem Rynkowski offensichtlich folgte. Da eine Gegenveranstaltung „im vergleichbaren Umfang“ vereinbart worden war, mußte PAGART nun in unsere Gagenforderungen einwilligen. Das kulturelle Programm für Danzig (vgl. den Beitrag von Gerd Hoffmann) sah nun ein Auftreten des Staatsopern-Balletts von John Neumeier, eine Aufführung des Deutschen Schauspielhauses, ein Konzert von James Last in der Waldbühne, einen Jazzabend mit Hamburger Gruppen in den Kasematten der ehemaligen Zitadelle, eine von der Kunsthalle gestaltete Ausstellung im vergleichbaren Danziger Museum und eine Filmreihe im größten Kino vor. Das Verhandeln mit Kazimierz Rynkowski war selbstverständlich ebenfalls von dieser Formel bestimmt. Da Hamburg die Reisekosten für alle Teilnehmer der Polnischen Tage 1975 bezahlt hatte, erhoben wir den Anspruch auf Gegenseitigkeit, der auch niemals infragegestellt war. Ebenfalls war allen Beteiligten klar, daß die Anreise mit dem Flugzeug stattfinden sollte – was nicht ausgesprochen wurde: schon um eine hinderungsstrategie der DDR ins Leere laufen zu lassen. Wir wollten also gemeinsam eine Luftbrücke zwischen Danzig und Hamburg einrichten. Nur das Zählen war in den Verhandlungen schwierig: Mit der von LOT einzurichtenden Luftbrücke sollten immerhin rund 1.500 Teilnehmerinnen und Teilnehmer von Hamburg nach Danzig und zurück transportiert werden. Es kostete über zwei dramatische Stunden, der Danziger Seite vorzurechnen, daß hierfür acht statt sieben Flüge zwischen beiden Hansestädten notwendig seien. Der erste Hinflug nach Hamburg wäre ebenso leer wie der letzte Rückflug von Hamburg. Ich war sehr froh, als das Gespräch über die Zahl der Flüge beendet war. Nichts ist unangenehmer, als wenn man es mit einem rationalen, hier mathematischen Zusammenhang zu tun hat und der Verhandlungspartner einem ungute Motive unterstellt. Unser Programmkonzept war: den Arbeitsalltag der Hamburger und Hamburgerinnen in den Mittelpunkt von Ausstellung und Schriften zu stellen. Thies Boysen war der Hamburger Ausstellungsmacher, der unsere Stadt mit Großfotos rund um einen Messepavillion in der Eissporthalle von Oliva entstehen lassen wollte. Rund um den zentralen Informationsstand konnten private Unternehmen, die sich auf dem polnischen Markt zeigen wollten, Stände mieten. Die Vermietung war nicht einfach. Da sie eine Säule unseres Finanzierungsplans war, haben wir lange gebannt auf den Vermietungsfortgang gestarrt, immer in der Furcht, daß aus dem ganzen Vorhaben nichts werden könnte. Eine besonders prominente Akquisition war die Burmah Oil mit dem örtlichen Bevollmächtigten Dieter Hardt. Wegen des Rennen fahrenden Sohnes des damaligen polnischen Ministerpräsidenten hatte seine Firma eine bevorrechtigte Stellung in der Volksrepublik. Belebend war ebenfalls Peter Boué mit seiner gleichnamigen Firma. Weitere Programmpunkte betrafen die Sportler – allen voran die Segler, die allerdings später bei der Einfahrt in die Danziger Bucht mit Wind und Kälte heftig zu kämpfen hatten – und Jugendgruppen, für die Besuche bei Gleichaltrigen und Gleichgesinnten arrangiert wurden. Während die Vorbereitungen in Hamburg liefen, wollten wir ebenfalls die Bonner Stellen für unser Vorhaben gewinnen, das für die damalige Zeit in seinem Umfang ungewöhnlich war. Die Senatskanzlei kümmerte sich um Zuschüsse von der Kulturabteilung des Auswärtigen Amtes. Schon meine berufliche Stellung in der Hamburger Staatlichen Pressestelle machte mich zum Verhandlungspartner des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung und dort insbesondere mit Hagen Graf Lambsdorff und Alfred Reinelt von der Auslandsabteilung. Wir vereinbarten die Übernahme eines großen Stapels von Informationsmaterial, das unmittelbar nach Danzig geschickt werden sollte. Erstaunlich waren während der Vorbereitungszeit die häufigen Besuche des sowjetischen Konsuls. Unter Hinweis auf seine aus Danzig stammende Frau und seine Dienstzeit dort erkundigte er sich nach vielen Einzelheiten unserer Planungen, die ich ihm, soweit sie veröffentlicht waren, nicht vorenthalten konnte. Bei der polnischen Botschaft beantragte ich ein damals höchst seltenes Visum zur dreimaligen Einreise unter Verweis auf meine gegebenenfalls erforderliche Mobilität. Es mußte auch gleich genutzt werden. Letzter Abschnitt der Vorbereitungen war für mich ein Hin- und Rückflug nach Warschau an einem Tag, um die deutschen Korrespondenten in Polen über unsere Veranstaltung eine Woche vor ihrem Beginn zu unterrichten. Nachfragen hatten ergeben, daß man in Warschau eine Woche vor dem Danziger Ereignis noch nichts von polnischer Seite erfahren hatte. Dies hatte mich höchst mißtrauisch gemacht, so daß ich mich zu einer Pressekonferenz auf dem Warschauer Flughafen entschlossen hatte – in die Stadt hineinzufahren, war bei diesem Flug Hamburg-Frankfurt-Warschau-Wien-Stuttgart-Hamburg aus zeitlichen Gründen nicht möglich. 20. Erlebnisse in Danzig Es war schon ein tolles Gefühl, am Montag, dem 16. Mai, morgens früh den ersten Flug der selbst geschaffenen Luftbrücke nach Danzig anzutreten. Es klappte alles. Selbst die Aufbaumannschaft von der Messebaugesellschaft stand am Flughafen und konnte pünktlich zurückgeflogen werden, so daß das Flugzeug am gleichen Tage noch ein zweites Mal von Hamburg fliegen konnte. Enttäuschend war jedoch, daß kaum ein Plakat in den Straßen zu sehen war, auf dem Veranstaltungen der „Hamburger Tage“ angekündigt waren. Marchewicz, der Danziger INTERPRESS-Vertreter, entschuldigte sich damit, daß man zuwenig Zeit für eine Plakatierung gehabt hätte. Ich war etwas verblüfft, hörte dann aber später, daß das ZK erst am Freitagnachmittag, dem 13. Mai, endgültig grünes Licht gegeben hatte. Vielleicht hatte ja meine Warschauer Blitzreise doch noch etwas bewirkt. Am nächsten Tag hingen aber alle Plakate. Nun war es die Hamburger Seite, von der Unsicherheit ausging. Uns erreichten Nachrichten, daß dem Reporter des Hamburger Abendblattes Egbert A. Hoffmann ein Visum versagt worden sei. Von Paul Otto Vogel, dem Leiter der Staatlichen Pressestelle erhielt ich ein langes Fernschreiben, daß es wegen des nicht erteilten Visums außerordentlich ungewiß sei, ob die Delegationen von Senat und Bürgerschaft jemals Danzig erreichen würden. Der CDU-Fraktionsvorsitzende Jürgen Echternach hätte erklärt, daß er nur mit Hoffmann nach Danzig reisen würde. Bürgermeister Hans-Ulrich Klose würde sich bei seinem Warschauer Besuch um ein Visum für den Abendblatt-Mitarbeiter bemühen. Falls dies jedoch nicht gelänge, würde er unmittelbar nach Hamburg zurückreisen. Natürlich war zu erwarten, daß die polnische Seite das Fernschreiben mitlesen und auch seinen entschiedenen Ton bemerken würde, mit dem ebenso die polnische Seite wie auch mein eigenes Verhalten gemeint sein konnte, der ich außerhalb meines Amtes olche politischen Abenteuer inszenieren würde. Die von mir für wenige Stunden später in Danzig anberaumte Pressekonferenz stand deshalb auf tönernden Füßen. Absagen konnte ich sie nicht mehr, ohne nicht einen Eklat zu riskieren. Also bluffte ich und ging davon aus, daß alle Beteiligten Danzig erreichen würden. Zum ersten Mal in Hamburgs Geschichte würden die Spitzen der Legislative – einschließlich der Fraktionsvorstände – und die der Exekutive gemeinsam ins Ausland reisen. Eine so einmalig hohe Besetzung sei als der politische Wille des Stadtstaates nach besseren Beziehungen zu Polen zu verstehen. Nachdem es dem Bürgermeister gelungen war, beim zweiten Mann in Staat und Partei das fehlende Visum zu erwirken, stand Kloses und Echternachs Ankunft in Danzig am Himmelfahrtstag nichts mehr im Wege – wenn auch die Stimmung zwischen beiden auf einem Tiefpunkt angekommen war und sie eigentlich nicht unter einem Dach im Regierungsgästehaus wohnen wollten. Aber auch diese Krise wurde gemeistert. Mit ihnen kamen Bürgerschaftspräsident Herbert Dau und die Fraktionsvorsitzenden Ulrich Hartmann (SPD) und Maja Stadler-Euler (F.D.P.). Die hohe Besetzung mit Vertretern des Parlaments erzeugte bedauerlicherweise eine protokollarische Schieflage: Weil Danzig kaum über eine Legislative verfügte, gab es für die Vertreter der Bürgerschaft nur wenige Gesprächspartner. Der Bürgermeister dagegen wurde von der dortigen Exekutive mit Terminen eingedeckt. Leider kam Friedrich Riethmüller, damals stellvertretender Vorsitzender unserer Gesellschaft, auf den wir dringend warteten und der im gleichen Flugzeug sitzen sollte, niemals in Danzig an. Ein Autounfall bei Harburg wenige Stunden vor dem Abflug war die Ursache, wie wir erst Tage später erfuhren. Für ihn wurde es ein langanhaltender Krankenhausaufenthalt. Danzig auf der Arbeitsebene war ganz anders als erwartet. In der von unserem Vorstand gebildeten fachlichen Arbeitsgruppe, die die Hamburger Delegationsleitung beriet, mußten Gerd Hoffmann, Oswald Beck und ich nun ohne Friedrich Riethmüller auskommen. Plötzlich wimmelte es in unserem Zentrum von deutschsprechenden Begleiterinnen und Begleitern, die einzelne Hamburger umschwärmten, denen wir zentrale Aufgaben für die Veranstaltung gegeben hatten, wie zum Beispiel mit Fotos zu dokumentieren. Die neuen Gesichter erklärten, sie kämen irgendwie aus Polen oder aus Berlin. Schön aussehende Frauen waren es meist, die Geräte oder Taschen mit Utensilien trugen und sich sofort als Vertraute ihrer Bezugspersonen ausgaben. Diese hatten sie vorher aber nicht gesehen, wie sie auf meine Nachfragen erklärten. Es war auffällig, daß unsere Leute aufgrund ihrer Werkaufträge alle Programmpunkte abzudecken hatten und ihre Begleitungen deshalb das gesamte Geschehen beobachten konnten. Man hatte unwillkürlich den Eindruck eines Agentennestes, schon weil die Neuaufgetauchten ganz offensichtlich gezielt angesetzt worden waren. Erfreulicherweise war niemand aus der Gesellschaft oder aus den Behörden betroffen. INTERPRESS wurde in unserem Informationszentrum durch Stanisaw Modrzyk vertreten, den wir schon von Essen und Hamburg her kannten. Zur Seite stand ihm Adam Krzepkowski, der dann durch zehn Jahre hindurch in seiner Organisation für die Beziehungen zu unserer Gesellschaft verantwortlich sein sollte. Wichtigster Punkt unseres Terminkalenders waren die täglichen Konferenzen der Leitungsgruppen mit Rynkowski und Groothoff an der Spitze. Gedacht waren sie ja, um zu koordinieren, hier noch einen Saal zu öffnen, dort noch mehr Quartier bereitzustellen. Diese Routineangelegenheiten nahmen meist nur wenig Zeit in Anspruch. Dazu kannten sich die Gesprächsteilnehmer inzwischen zu gut. Beschäftigt haben uns aber die 100.000 Plastiktüten mit den deutschen Nationalfarben, die zusammen mit etwa 450.000 Druckschriften vom Bundespresseamt geliefert worden waren. Die schwarz-rot-goldenen Plastiktüten wurden unseren Helfern buchstäblich aus den Händen gerissen. Schließlich waren Einkaufsbeutel damals in Polen Mangelware. Offensichtlich wurden sie ebenfalls auf dem schwarzen Markt verkauft. Was aber das Faß zum Überlaufen brachte, war, daß sie mit der Zeit im Danziger Straßenbild auftauchten und dort zu einem dominierenden Faktor wurden. Stunden über Stunden wurde ebenso über eine Schrift beraten, mit der sich die Bundesrepublik vorstellte und die gleichermaßen von Bonn geliefert worden war. In ihr wurde gefragt: Wieviele Minuten muß man in Westdeutschland arbeiten, um sich ein Ei oder auch andere Güter des täglichen Lebens kaufen zu können? Offensichtlich wurde die Schrift allerorten in der Weichselstadt diskutiert. Dabei hatte die polnische Seite einer Verteilung von Plastiktüten und der Schrift während der Posener Messe geduldet. Unsere Hamburger Druckschrift hatte die polnische Seite vor dem Andruck einsehen können. Alle Sachen waren einzeln akzeptiert. In der Menge wurden sie in Danzig aber zum Gesprächsgegenstand und lösten gruppendynamische Prozesse aus. Mitglieder der Gesellschaft und freiwillige Helfer sind in diesem Zusammenhang insbesondere zu nennen: Jan Dolny, der eine ebenfalls von Bonn zur Verfügung gestellte Quizmaschine in polnischer Sprache bediente und richtige Antworten des Publikums zu den Verhältnissen in der Bundesrepublik mit Preisen belohnte: kleine Schraubenziehersätze mit dem Aufdruck „Bundesrepublik Deutschland“. Marion Gollin, Marcella Däwers und Dierk Jessen hatten bei der Ausgabe der gewaltigen Papiermassen am zentralen Informationsstand wirklich alle Hände voll zu tun. Wir sind in den zehn Tagen beinahe das gesamte Papier losgeworden, immerhin 550.000 Druckschriften. Abends war der Treffpunkt schließlich der Nachtklub des Hotels, der „Hades“. Er und die Menschen in ihm waren repräsentativ für die polnische Gesellschaft jener Zeit. Dort saß die Delegation des ZK aus Warschau neben Gruppen von Kaufleuten aller Art. Hier wurden wir von den Vertretern der Opposition, von Schriftstellern und Wissenschaftlern diskret angesprochen und befragt – was schließlich angesichts der lärmenden Musik für niemanden irgendwelche Folgen hatte. Aber auch an diesem Ort verließ uns die aktuelle Situation nicht: An der Bar sprach man mich auf die Plastiktüten an, was mich schließlich überzeugte, die Ausgabe der uns von Bonn überlassenen Plastiktüten zu stoppen – nachdem 60.000 Exemplare unter die Besucherinnen und Besucher gebracht waren. 21. Kein Ansatzpunkt danach Möglicherweise hatten wir den Bogen in Danzig etwas überspannt, möglicherweise haben sich der Werftarbeiter Lech Wasa und die späteren vielen Danziger Mitgründer der Solidarität aus der Ausstellung und den verteilten Druckschriften informiert: niemand weiß es. Ein Zusammenhang mit dem Entstehen dieser polnischen Gewerkschaftsbewegung, die schließlich ursächlich für den Fall der Mauer und das Verschwinden der Sowjetunion war, erscheint möglich – wenn er auch nicht nachgewiesen werden kann. Wie anläßlich der Kongresses der deutsch-polnischen und der polnisch-deutschen Gesellschaften in Danzig im Mai 1997 zu erfahren war, sind die damaligen Hamburger Tage nicht vergessen. Prominentester Zeuge ist der heutige Stadtpräsident Tomasz Posadzki, der damals Gymnasiast war, und sich an Einzelheiten gut erinnert: „Wir spürten des Hauch des Westens.“ Politik ist eben wie Max Weber sagte: das Bohren von dicken Brettern mit untauglichen Mitteln. Kurzfristig endete Danzig für uns damit, daß es keinen Ansatzpunkt für Hamburger Kontakte nach Polen mehr gab. Für Bremen war der Weg zu einer erfolgreichen Partnerschaft mit Hans Koschnick frei – als der hinter dieser Friedensarbeit stehenden Kraft. Jan Grzelak wurde nach Krakau versetzt – was ebenfalls wie eine Strafaktion aussah. Und die Danziger Stadtverwaltung wurde dazu gezwungen – wie wir dann später hörten – die Partnerstadt Leningrad zu einer vergleichbaren Veranstaltung mit dem gleichen finanziellen Aufwand aus der Danziger Stadtkasse einzuladen. Im Nachhinein entpuppten sich die Fragen des sowjetischen Konsuls und das bemerkenswerte Ausmaß von deutschsprechenden Fremden rund um unsere Danziger Veranstaltungen als sehr zielgerichtet. 22. Suche nach Kontakten Nach den wiederholten „Strafaktionen“ gegen unsere Gesprächspartner fehlte mir – ehrlich gesagt – zunächst etwas der Mut zu einem neuen Versuch, Kontakte anzubahnen. Es begann eine Zeit der Unzufriedenheit, in der wir uns im Vorstand wechselseitig Mut zusprachen, aber auch der vermochte nur bedingt zu […]