JAHRESÜBERBLICK 2013

JAHRESÜBERBLICK 2013

 

Januar:

  • Der langjährige Primas der katholischen Kirche, Kardinal Józef Glemp stirbt nach langer Krankheit im Alter von 83 Jahren.
  • Das polnische Parlament verwirft sämtliche Pläne zur Einführung einer eingetragenen gleichgeschlechtlichen Partnerschaft. Der Antrag aus der Fraktion der regierenden Bürgerplattform scheitert ebenso wie die Gesetzentwürfe der Linksopposition. Justizminister Jarosław Gowin äußert in der Debatte Zweifel an der rechtlichen Zulässigkeit sämtlicher Gesetzesvorschläge. Ministerpräsident Tusk entgegnet, dass Gowin nicht die Regierungsmeinung wiedergibt.

Februar:

  • Die Fraktion der Palikotbewegung möchte ihre Vertreterin im Sejm-Präsidium, Wanda Nowicka, ablösen und schlägt aus ihren Reihen stattdessen die transsexuelle Abgeordnete Anna Grodzka als stellvertretende Parlamentspräsidentin vor. Anlass war die Weigerung  Nowickas von ihrem Amt zurück zu treten. Sie hatte sich – ebenso wie die anderen Mitglieder des Sejm-Präsidiums – eine (rechtlich korrekte, aber moralisch fragwürdige) Sonderzahlung gewähren lassen. Nowicka bleibt im Amt, weil alle anderen Parlamentsfraktionen das Ansinnen Palikots ablehnen. Allerdings wird Nowicka anschließend aus ihrer Fraktion ausgeschlossen, was jedoch erst in zweiter Abstimmung gelingt.
  • Der Rücktritt von Papst Benedikt XVI. löst in polnischen Medien einige Diskussionen aus und stößt teilweise auf Unverständnis.
  • Regierungsvertreter und (mit Ausnahme der PiS-Politiker) auch die Opposition feiern das Ergebnis der EU-Haushaltsverhandlungen. Polen kann bis 2020 mit weiteren 106 Mrd. Euro an EU-Mitteln rechnen und wird damit von allen EU-Mitgliedern die meisten Fördermittel erhalten.
  • Es kommt zu einer kleinen Kabinettsumbildung. Der bisherige Innenminister Jacek Cichocki wird Chef der Kanzlei des Premierministers. Sein bisheriges Amt übernimmt der 51jährige Bartłomiej Sieńkiewicz. Außerdem darf sich neben Wirtschaftsminister Piechociński (Chef des kleineren Koalitionspartners PSL) künftig auch Finanzminister Jacek Rostowski mit dem Titel “Vize-Premier” zieren.
  • Bei einer Vorlesung der als politisch links geltenden Philosophie-Professorin Magdalena Środa an der Universität Warschau kommt es zu einem Zwischenfall als rund 50 vermummte Nationalisten in den Saal eindringen und die Veranstaltung stören.

März:

  • Die Linksallianz SLD suspendiert die Mitgliedschaft ihres populären Politikers Ryszard Kalisz. Kalisz hatte sich wohlwollend zu den Plänen des ehemaligen Präsidenten Aleksander Kwaśniweski geäußert. Kwaśniewski hatte die Absicht geäußert, gemeinsam mit der Palikot-Bewegung zu den Europawahlen im kommenden Jahr antreten zu wollen. Die SLD lehnt ein solches Bündnis strikt ab.
  • Im Sejm scheitert ein konstruktives Misstrauensvotum der Kaczyński-Partei PiS. Als überparteilicher „technischer Premierminister“ war der Soziologe Piotr Gliński vorgeschlagen worden.
  • Bei der Computermesse Cebit in Hannover ist Polen Partnerland.
  • Das tiefgläubige Polen diskutiert das Auftreten des neuen Papstes Franziskus I. und die möglichen Auswirkungen auf das religiöse Leben im eigenen Land.
  • Der ZDF-Dreiteiler “Unser Mütter, unsere Väter” führt in Polen zu heftigen Protesten. Der Chef des öffentlich-rechtlichen polnischen Fernsehens, Juliusz Braun, kritisiert die Darstellung polnischer Widerstandskämpfer insbesondere im letzten Teil des Fernsehspiels. Es werde darin ein völlig falsches Bild gezeichnet, weil die Soldaten der polnischen Heimatarmee AK vor allem als Antisemiten dargestellt worden seien. Ebenso protestiert der Verband der AK-Veteranen in einer offiziellen Stellungnahme.

April:

  • Über die Osterfeiertage kommt es in weiten Teilen Polens zu starken Schneefällen. In der Folge sind viele ländliche Gebiete von der Stromversorgung abgeschnitten.
  • In Polens Hauptstadt läuten die Glocken zum 70. Jahrestags des Aufstandes im Warschauer Ghetto. Zur Gedenkveranstaltung kommen zahlreiche prominente Gäste aus dem In- und Ausland., u.a. der Präsident des EU-Parlaments Martin Schulz.
  • Premier Tusk entlässt seinen Schatzminister Budzanowski. Ein ihm unterstehender Staatsbetrieb hatte Budzanowski nicht über einen internationalen Vertrag informiert, in dem die Verlängerung der Jamalpipeline geregelt wird. Von dem Vertrag hatte Tusk erst von russischer Seite erfahren.
  • Während eines Besuchs von Donald Tusk in Deutschland behauptet Justizminister Gowin, dass deutsche Wissenschaftler zu Forschungszwecken Embryos aus Polen nach Deutschland importiert haben sollen. Gowin wird daraufhin als Justizminister entlassen.

Mai:

  • Betroffenheit löst die Meldung aus, dass in Łódź eine 24jährige Frau ein Baby mit über 4 Promille Blutalkohol zur Welt bringt.

Juni:

  • Das öffentlich-rechtliche polnische Fernsehen zeigt den ZDF-Dreiteiler “Unsere Mütter, unsere Väter” zur Hauptsendezeit. Im Anschluss findet eine ausgiebige Fernsehdebatte statt, an der neben Vertretern des polnischen Widerstandes auch der ehemalige israelische Botschafter in Polen, Szewah Weiss, und die Journalisten Adam Krzemiński und Gerhard Gnauck teilnehmen.
  • Vor dem Hintergrund der polnischen Proteste zu “Unsere Mütter, unsere Väter” sendet das ZDF als weitere Ergänzung eine Dokumentation über Polen unter deutscher Besatzung. Der Beitrag war berits seit April vorbereitet worden. Sendezeit: 23:20 Uhr …
  • In einem Fernsehinterview erteilt Donald Tusk allen Spekulationen über seinen möglichen Wechsel auf den Stuhl des EU-Kommissionschefs eine klare Absage.
  • Bei den Bürgermeisterwahlen in Elbląg kann der PiS-Kandidat einen Sieg verbuchen. Die Wahlen hatten als Stimmungsmesser landesweit Beachtung gefunden. Warschauer Politprominenz hatte sich vermehrt in den lokalen Wahlkampf eingeschaltet.
  • Die beiden größten Parteien halten Parteitage ab. Beim Treffen von PiS wird Jarosław Kaczyński als Vorsitzender bestätigt. Dagegen beschließt Tusks Bürgerplattform eine Satzungsänderung, die eine Urwahl des Vorsitzenden ermöglicht. Der entlassene Justizminister Jarosław Gowin kündigt seine Kann didatur an.

Juli:

  • Polen begeht den 70. Jahrestags des Massakers von Wolhynien. Die bürgerkriegsähnlichen Auseinandersetzungen zwischen polnischen Untergrundkämpfern der AK und vorwiegend nationalistischen ukrainischen Unabhängigkeitskämpfern hatten auf polnischer Seite ca. 100.000 Opfer gekostet, darunter viele Zivilisten.
  • Der Produzent des ZDF-Mehrteilers “Unsere Mütter, unsere Väter”, Nico Hofmann, entschuldigt sich für die Fehler bei der Darstellung des polnischen Widerstands in seinem Fernsehspiel.
  • Im zweiten Anlauf erhält der katholische TV-Sender TV-TRWAM (gehört zur Radio-Maryja-Gruppe) nun doch einen Sendeplatz auf der Multiplex-Plattform des digitalen Fernsehens.
  • Die Regierungsmehrheit im Sejm setzt wegen des anstehenden Haushaltsdefizits die erste Eskalationsstufe der Schuldenbremse aus.

August:

  • Bei den Wahlen zum Parteivorsitzenden der Bürgerplattform kann sich Premier Donald Tusk durchsetzen.
  • Der Satiriker Sławomir Mrożek stirbt 83jährig in Nizza.
  • Das Land Rheinland-Pfalz will ab 2015 seinen Zuschuss für das Deutsche-Polen-Institut in Darmstadt streichen.

September:

  • Jarosław Gowin gibt seinen Austritt aus der Bürgerplattform bekannt.
  • Der neue Film von Andrzej Wajda über Lech Wałęsa hat nach der Vorführung beim Filmfest in Venedig auch in Polen Premiere. Der Streifen soll für Polen bei der Oscar-Verleihung an den Start gehen.
  • Der Vatikan erklärt, dass der polnische Papst Johannes Paul II. am 27. April 2014 heiliggesprochen werden soll.
  • Lech Wałęsa, polnische Solidarność-Legende, feiert seinen 70. Geburtstag.
  • Die Staatanwaltschaft nimmt Ermittlungen gegen zwei polnische Geistliche wegen des Vorwurfs des Kindesmissbrauchs auf. Die beiden waren in der Dominikanischen Republik tätig. Einer von ihnen ist der ehemalige Botschafter des Vatikans in dem Karibikstaat gewesen. Auch Kirchenvertreter gehen auf Distanz.

Oktober:

  • Das Referendum zur Abwahl der Warschauer Oberbürgermeisterin Hanna Gronkiewicz-Waltz scheitert, weil die nötige Beteiligung knapp verfehlt wird.
  • Bei einem öffentlichkeitswirksamen Parteitag in Warschau nennt sich die Partei “Palikot-Bewegung” in “Deine Bewegung” um.
  • Der Krakauer Professor Jacek Rońda, der in der oppositionellen Smolensk-Expertenkommission sitzt, gibt gegenüber dem TV-Sender TV-TRWAM zu, dass er bei einem Fernsehinterview mit dem öffentlich-rechtlichen TVP bewusst die Existenz nicht vorhandener Beweise vorgetäuscht hat.
  • Anlässlich der Eröffnung des akademischen Jahres treffen sich die Präsidenten Gauck und Komorowski in Frankfurt/Oder-Słubice.
  • Im Alter von 86 Jahren stirbt Tadeusz Mazowiecki, erster nichtkommunistischer Regierungschef nach der Wende, .

November:

  • Ausgerechnet am polnischen Unabhngigkeitstag erwartet Warschau rund 10.000 Teilnehmer zum Weltklimagipfel. Die Konferenz findet im Warschauer Nationalstadion statt, wo entsprechende provisiorische Tagungsgebäude errichtet wurden. In vielen deutschen Medien steht Polen in der Kritik, weil es sich beim Klimaschutz als Bremser zeigt.
  • Am Rande der Feierlichkeiten zum polnischen Unabhängigkeitstag kommt es in Warschau zu Ausschreitungen. Nationalisten attakieren das Gelände der russischen Botschaft. In Moskau wird daraufhin der polnische Botschafter einbestellt.
  • Transportminister Nowak tritt zurück, weil er in seiner Vermögensaufstellung, die jeder öffentliche Amtsträger abgeben muss, eine kostbare Armbanduhr nicht angegeben hatte.
  • Bei der Explosion einer Gasleitung kommt es im westpolnischen Ort Jankow Przygodzki zu schweren Schäden. Zwei Menschen werden getötet, mehrere verletzt. Viele Häuser werden zerstört bzw. stark beschädigt.
  • Bei einer lang angekündigten Kabinettsreform müssen gleich sieben Minister gehen. Darunter sind Umweltminster Korolec, der zu dem Zeitpunkt noch mit der Leitung des Klimagipfels befasst ist, und Sportministerin Mucha. Prominentestes “Opfer” ist jedoch Finanzminister Rostowski.

Dezember:

  • Jarosław Gowin gründet eine eigene Partei.
  • Beim Parteitag der Bürgerplattform kann Donald Tusk alle gewünschten Kandidaten für den Vorstand durchsetzen. Der bekannte parteiinterne Kritker Grzegorz Schetyna wird in die Schranken gewiesen.
  • Das Verfassungsgericht entscheidet, dass das Kreuz über einem Seiteneingang des Plenarsaals im Sejm hängen bleiben darf. Die Fraktion der Partei “Deine Bewegung” hatte dagegen Beschwerde eingelegt.
  • Präsident Komorowski will wegen des beschlossenen Gesetzes über die Reform der offenen Rentenfonds (private betriebliche Altersversorgung) das Verfassungsgericht anrufen. Das in den Fonds angesparte private Kapital soll in die staatliche Rentenversicherung überführt werden.
  • Die Entwicklung in der Ukraine betrachtet Polen mit großer Sorge. Zu den Protesten reist Oppositionsführer Jarosław Kaczyński nach Kiew, um seine Solidarität mit den proeuropäischen Demonstranten zu zeigen.

 

Soweit wesentliche Ereignisse aus 2013. Auch 2014 werde ich nach Kräften die Ereignisse in Polen verfolgen und übermitteln. Uns erwarten immerhin eine Heiligsprechung und im Sommer zwei wichtige geschichtliche Jahrestage: der Warschauer Aufstand jährt sich zum 70. Mal und der Ausbruch des 1. Weltkriegs, der für Polen ja auch eine ganz besondere Bedeutung hatte, zum 100. Mal.

 

Und damit wünsche ich Ihnen und Euch viel Gesundheit, Erfolg, Glück und Frieden im neuen Jahr 2014.

 

Szczęśliwego Nowego Roku życzy

Christof Leidner

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